
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Opposition aufgerufen, auch nach der Landtagswahl im März die von Grün-Rot angestoßenen Reformen fortzusetzen. «Das Rad kann nicht zurückgedreht werden», sagte Landeschefin Doro Moritz an die Adresse von CDU und FDP am Mittwoch in Stuttgart. Dabei geht es um die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule, den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung und die Reform der Realschule mit der Möglichkeit eines Hauptschulabschlusses.
Die Vorsitzende des mit 50 000 Mitgliedern größten GEW-Landesverbandes sieht Grün-Rot bei den Lehrereinstellungen auf einem guten Weg. Problem sei aber der Engpass an Lehrern mit bestimmten
Qualifikationen, etwa Sonderschullehrern, und in bestimmten grenznahen Regionen. In Südbaden wohnten viele Lehrer in Deutschland und arbeiteten in der Schweiz, wo sie deutlich besser bezahlt
werden.
Die Gewerkschafterin warf der Opposition vor, einen internen Evaluationsbericht einer Tübinger Gemeinschaftsschule zu nutzen, um alle 271 Gemeinschaftsschulen und Kultusminister Andreas Stoch (SPD) zu diskreditieren. «Es erschreckt mich, dass die Oppositionsfraktionen sich nicht zu schade sind, auf Kosten engagierter Lehrkräfte einer Schule Stimmung gegen eine wesentliche bildungspolitische Reform zu machen.» Sie kenne den Bericht zwar nicht. «Klar ist aber, dass sich aus einer Rückmeldung an eine Schule keine Bewertung einer ganzen Schulart ableiten lässt.» Statt der Gemeinschaftsschule Mittel zu entziehen, bedürfe sie weiterer Ressourcen, um ihren Erfolg zu sichern. Eine Wahlempfehlung für Grün-Rot wollte die Gewerkschafterin aber nicht abgeben.
Dass nach vier Jahren im Schuljahr 2015/16 keine Stellenstreichungen mehr drohten, sei eine freudige Überraschung. «Wenn mir das jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt», sagte Moritz mit Blick auf 5700 Lehrereinstellungen. Statt der geplanten Streichung von 1800 Stellen würden 758 neue Stellen geschaffen. Wermutstropfen sei, dass es nach den Sommerferien nicht genug Vertretungslehrer geben werde. Dabei sei mit einer steigenden Zahl von Schwangerschaften, Elternzeitfällen und Langzeiterkrankten zu rechnen.
Am Schuljahresende seien 3000 befristet Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit geschickt worden, die jetzt den Schulen nicht mehr zur Verfügung stünden. Es gelte, mit festen Stellen und besserer Bezahlung junge Lehrer langfristig ans Land zu binden.
Überdies warb Moritz für eine deutlichere Unterstützung der Grundschulen. «Die Grundschulen, ihre Lehrkräfte und Schulleitungen stehen eindeutig im Schatten der Sekundarstufe I.» Wolle man die Chancengleichheit im Bildungswesen verbessern, müsse man bei der Wurzel ansetzen. Die Schulart benötige mehr Stellen für Sprachförderung, Lesen, Rechtschreibung und Mathematik als die 180 zusätzlich bereitgestellten in diesem Schuljahr.
Auch müsse die Vertretungsreserve verbreitert werden, da kleine Kinder nicht vorzeitig nach Hause geschickt werden könnten. Bei der Entlastung für Leiter kleiner Grundschulen, den Ressourcen für die Kooperation mit den Kitas und für individuelle Förderung müsse sich ebenfalls etwas tun.
Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann versicherte, es würden weitere Stellen für Grundschulen geschaffen: «Für uns Grüne steht das in den kommenden Jahren ganz oben auf der Agenda.» (DPA/LSW)