Mehr Azubis im Südwesten - Forderung nach Praktikum für Flüchtlinge

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Stuttgart, Andreas Richter. Foto: Wolfram Kastl
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Stuttgart, Andreas Richter. Foto: Wolfram Kastl

Seit langem klagt die Wirtschaft über einen Mangel an guten Lehrstellen-Bewerbern, nun gibt es Anzeichen der Besserung in der angespannten Situation. Bis Ende August schlossen 40 190 Jugendliche im Südwesten einen Ausbildungsvertrag ab in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen, knapp ein Prozent mehr als im Vorjahr. Das teilte der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) am Dienstag in Stuttgart mit. Hauptgrund: die gute Konjunktur. 

Zahlen zu den Bereichen Handwerk, Gesundheit und Verwaltung lagen nicht vor.


Das erste Plus seit drei Jahren sei «eigentlich erfreulich», sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Stuttgart, Andreas Richter - seine IHK hat die Federführung beim Thema Ausbildung im Südwesten. Zugleich zeigte Richter aber auch Sorgenfalten. Es gebe noch viel zu tun, noch immer sei das Niveau vieler Bewerber viel zu niedrig. So könnten viele junge Leute selbst einfache Rechenaufgaben nicht lösen. Mit Blick auf den demografischen Wandel und die sinkende Zahl von Schulabsolventen sagte er: «Der Wettbewerb [unter Firmen] um die Jugendlichen wird immer härter.»


Neben den Zahlen zu neuen Azubis stellte Richter eine Umfrage unter Südwest-Firmen zur Ausbildungssituation vor. Durchgehend positiv waren die Ergebnisse nicht. Etwa jedes dritte Unternehmen gab an, nicht alle Lehrstellen besetzt zu haben. 2014 hatte das nur jede vierte Firma gesagt.


Vor allem Banken, Versicherungen und Firmen in der IT übten scharfe Kritik an dem Qualifikationsniveau der Bewerber. Oftmals hätten die Bewerber keine Ahnung von dem Beruf, auf den sie sich bewerben. «Da muss man sich schon wundern», sagte Richter. Realschulabsolventen seien insgesamt besser vorbereitet als Abiturienten. Das liege daran, dass eine Lehre in Realschul-Familien höher im Kurs sei als in Akademikerfamilien und zudem der Kontakt von Unternehmen mit Realschulen intensiver sei. In vielen Akademikerfamilien «herrscht keine Vorstellung darüber, was am Arbeitsmarkt passiert», so Richter.


Auch das Thema Flüchtlinge kam zur Sprache. Der IHK-Manager untermauerte die Bereitschaft der Wirtschaft, Flüchtlinge auszubilden. Hierfür müsse aber geregelt sein, dass diese jungen Menschen für die Dauer ihrer dreijährigen Lehre in Deutschland sein dürften, zudem sollten nach dem Ende der Lehre zwei weitere Jahre in der Firma möglich sein.


Ein gutes Mittel für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt könnte zudem das sogenannte Einstiegsqualifizierungsjahr (EQ) sein, sagte der IHK-Mann. Hierbei sind junge Menschen bis zu einem Jahr in einem Betrieb, finanziert wird das Praktikum von der Arbeitsagentur.


Die EQ-Zeit kann später auf eine Lehre angerechnet werden. Südwest-Firmen bieten derzeit 1600 solcher Plätze an, doch nur 156 sind besetzt - die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage liegt auch daran, dass manch EQ-Interessent doch direkt als Azubi genommen wird. Die EQ-Plätze könnten eine Chance für Flüchtlinge sein, sagte Richter. «Die Leute sind da, sie müssen etwas mit sich anfangen und wir müssen etwas mit ihnen anfangen.»


In der Landespolitik fand die Forderung Zustimmung. Es sei «absolut richtig, auch jugendlichen Flüchtlingen über Praktika zur Einstiegsqualifizierung eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu geben», sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Andrea Lindlohr. Ihr Pendant bei der SPD, Hans-Peter Storz, sprach von einer sinnvollen Sache. (DPA/LSW)