
Keine schrillen Töne gegen Ausländer, keine ausufernden Diskussionen, keine gegenseitigen Beleidigungen - bei der Gründung ihres bundesweit ersten Landesverbandes in Stuttgart stellt sich die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) als seriöse Partei dar. Sieben Monate vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg grenzt sie sich bewusst von der zum Teil rassistisch und anti-islamisch geprägten AfD ab, von der sie sich im Juli abgespalten hatte.
Der Alfa-Bundeschef und -Gründer Bernd Lucke bekannte sich vor rund 100 Mitgliedern und 40 Gästen in der Landeshauptstadt zu einer humanitären, Deutschland aber nicht überfordernden Flüchtlingspolitik.
«Wir können entweder Sozialstaat oder ein Staat mit offenen Grenzen sein - aber beides geht nicht», sagte der frühere AfD-Vorsitzende, der im parteiinternen Flügelkampf gegen seien Co-Vorsitzende und Vertreterin des nationalkonservativen Strömung Frauke Petry unterlegen war. Deshalb müsse dem Missbrauch der Sozialsysteme vorgebeugt und die Zuwanderung durch ein eigenes Gesetz gesteuert werden. Bernd Kölmel, der mit fast 99 Prozent gewählte Vorsitzende des Landesverbands, distanzierte sich von Hetze und Gewalt gegen Flüchtlinge. «Das darf nicht sein», sagte der 56 Jahre alte Europaabgeordnete, der Mitbegründer von Alfa und Stellvertreter Luckes ist.
Lucke hält einen Wert von sechs Prozent für seine liberal-konservative Partei im Südwesten für möglich. Denn die jetzt ostdeutsch geprägte AfD werde mit ihrem Anti-Amerikanismus, ihrer Islamfeindlichkeit und ihren Verschwörungstheorien in Westdeutschland wenige Anhänger gewinnen, sagte der Wirtschaftsprofessor. Im Südwesten wolle man mit einer thematisch breit angelegten, pragmatischen, an den klassischen Eigenschaften der schwäbischen Hausfrau - also Sparsamkeit - orientierten Politik punkten. Kölmel wandte sich gegen Bevormundung der Bürger, Bürokratie und Gleichmacherei: «Wir sind für weniger Regelungen, weniger Gesetze, mehr Eigenverantwortung - und nicht immer der Ruf nach dem Staat.»
In einem ersten Entwurf des Landtagswahlprogramm nimmt die Bildung breiten Raum ein. Alfa plädiert für den Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems mit starken Gymnasien und besser ausgestatten Berufsschulen, eine Rückkehr zu verbindlichen Grundschulempfehlung, sowie für eine kostenlose Kindergarten-Betreuung. Neben Wissen müssten dem Nachwuchs auch Werte wie Fleiß, gutes Benehmen, Disziplin nahegebracht werden.
Beim Thema innere Sicherheit spricht sich die neue Partei für mehr Polizeipräsenz auf der Straße, einen Polizeibeauftragten im Landtag sowie eine bessere technische und personelle Ausstattung der Polizei aus. Drogeneinfluss und Vollrausch als Strafmilderungsgründe will Alfa weitgehend abschaffen.
2100 Mitglieder hat Alfa derzeit in Deutschland, davon 310 im Südwesten, die laut Kölmel zur Hälfte von der AfD kommen. Er bezifferte die AfD-Mitgliedschaft zwischen Main und Bodensee derzeit auf 400. In Baden-Württemberg hat etwa die Hälfte der AfD-Landesspitze in die Führung der Alfa gewechselt. So kommen neben Kölmel auch seine drei Stellvertreter aus der AfD: Ronald Geiger, früherer AfD-Landesvize, der ehemalige AfD-Schatzmeister Jan Rittaler und Eberhard Will, ebenfalls ehemaliger AfD-Landesvize.
Im Gegensatz zu früheren von erbitterten Diskussionen und Kontroversen geprägten AfD-Landesparteitagen wurde bei Alfa die Agenda mit Wahl des Veranstaltungsleitung, Beschluss der Satzung, Wahl des Vorstands rasch abgearbeitet. Alfa hat vor allem ehemalige Anhänger der AfD sowie von der Griechenlandpolitik ihrer Parteien enttäuschte Liberale und Christdemokraten im Visier. Die 20 Prozent Unions-Abgeordneten, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei den Griechenlandhilfe die Gefolgschaft verweigerten, geben nach Überzeugung von Alfa Hinweise darauf, wie groß das Reservoir in der Union ist, in dem die Partei fischen kann. «Es gibt zehn Prozent in Deutschland, die auf eine Partei wie Alfa warten», resümierte der frischgebackene Landesvize Geiger.
Kölmel schwor seine Mitglieder auf einen schwierigen Weg bis zur Landtagswahl im März 2016 ein. Jetzt müssten in allen 70 Landkreisen Kandidaten nominiert werden, die für ihre Kandidatur jeweils 150 Unterstützer-Unterschriften benötigten. «Da muss man hinterher rennen. Aber es ist machbar.» (DPA/LSW)