Land will Probleme bei Flüchtlingsversorgung eindämmen

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Uwe Anspach
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Uwe Anspach

Mit mehr Aufnahmeplätzen, einer Task Force auf Landesebene und konsequenteren Abschiebungen will Grün-Rot in Baden-Württemberg auf die steigenden Flüchtlings-zahlen reagieren. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte am Montag in Stuttgart ein Maßnahmenpaket nach dem zweiten Flüchtlingsgipfel im Land vor. Der schwarz-gelben Opposition fehlt aber nach wie vor ein schlüssiges Gesamtkonzept.

ERSTAUFNAHME: Baden-Württemberg will die Zahl der Plätze in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Lea) von derzeit rund 9000 auf 20 000 im Laufe des Jahres 2016 erhöhen. Flüchtlinge ohne Aussicht auf ein Bleiberecht sollen möglichst nicht auf die Kommunen verteilt, sondern schon aus der Lea heraus abgeschoben werden. Flüchtlinge mit guten Chancen auf ein Bleiberecht sollen schneller in die Stadt- und Landkreise verteilt werden.


SYRISCHE FLÜCHTLINGE: Das Land will darauf hinarbeiten, dass syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gar nicht erst in die Lea kommen, sondern umgehend in die Kommunen verteilt werden. Auf die Weise könnten die Einrichtungen entlastet werden. Das Land will sich beim Bund dafür einsetzen, dass Syrer kein Asylverfahren durchlaufen müssen.


MINDESTWOHNFLÄCHE: Die zum Jahresbeginn 2016 von Grün-Rot beschlossene Ausdehnung der Mindestwohnfläche für Flüchtlinge von 4,5 auf 7 Quadratmeter wird zunächst für zwei Jahre ausgesetzt.


TASK FORCE: Staats-, Innen-, Integrations- sowie das Wirtschafts- und Finanzministerium sollen in einer gemeinsame Lenkungsgruppe in allen Fragen zur Flüchtlingsproblematik zusammenarbeiten. Darin sollen auch die kommunalen Spitzenverbände vertreten sein.


WOHNRAUMFÖRDERUNG: Für das kommende Jahr stellt das Land mindestens 30 Millionen Euro zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge in den Kommunen zur Verfügung.


ABSCHIEBUNGEN: Abgelehnte Asylbewerber sollen in frühen und gezielten Beratungen stärker zu einer freiwilligen Rückkehr bewegt werden. Entziehen sich abgelehnte Asylbewerber einer Abschiebung, können Leistungskürzungen - etwa die Kürzung des Taschengeldes - und Beschäftigungsverbote folgen.


ARBEITSMARKT: Die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge sollen ausgeweitet und Integrationsmaßnahmen gestärkt werden. Das Land fordert den Bund auf, für Flüchtlinge vom Westbalkan legale Zugangsmöglichkeiten zum deutschen Arbeitsmarkt zu schaffen.


Nach Baden-Württemberg kommen im laufenden Jahr mindestens 52 000 neue Asylbewerber - wahrscheinlich werden es sogar an die 80 000 sein. Kretschmanns Herausforderer zur Landtagswahl 2016, Guido Wolf (CDU), kritisierte, die grün-rote Landesregierung habe Vertrauen verspielt, indem sie Zusagen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen nicht eingehalten habe. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sei mit ihrer Aufgabe völlig überfordert. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, Grün-Rot versuche nun hektisch, eine selbstverschuldete Entwicklung einzudämmen. «Der Gipfel ist ein Gipfel der Selbstverteidigung», sagte er.


Zuvor hatten die Kommunen auf immense Probleme im Umgang mit Flüchtlingen hingewiesen und gewarnt, die Stimmung in der Bevölkerung könne kippen. Ministerpräsident Kretschmann sagte dazu der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag): «Ich kann nicht erkennen, dass die Stimmung bei uns am Kippen ist.» Jedenfalls nehme er in Baden-Württemberg keine generell fremdenfeindliche Stimmung wahr. «Das, was ich erlebe, sind Fälle, bei denen man mit den Bürgern reden muss, weil es Ängste und Probleme gibt.» Aus dem Landtagswahlkampf werde man das Thema nicht heraushalten können. «Aber wir müssen verhindern, dass es populistisch diskutiert wird.» (DPA/LSW)