
Struppi lässt die Box mit dem Hundefutter nicht aus den Augen. Der kleine Mischling steht in der Tiertafel in Albstadt (Zollernalbkreis) und wartet geduldig, ob nicht doch noch ein Leckerli für ihn abfällt. Eigentlich heißt Struppi anders, und auch sein Frauchen Andrea nennt nicht ihren richtigen Namen. Denn die beiden nehmen regelmäßig die Hilfe der kürzlich gegründeten Tiertafel in Anspruch - und dafür hagelte es schon so manchen bösen Kommentar. «Ich bin zum Beispiel als Schmarotzer beschimpft worden», sagt Andrea.
«Die Leute verstehen nicht, warum man sein Tier behält, wenn man wenig Geld hat.»
Alle zwei Wochen kommt Andrea mit Struppi in die Tiertafel - die nach eigenen Angaben in Baden-Württemberg bislang die Einzige ist. Seit Juni hilft der Verein Tierbesitzern in und um Albstadt, die in Notlage geraten sind. Wer Geringverdiener oder arbeitslos ist oder nur eine geringe Rente bezieht, bekommt in der Tafel alle zwei Wochen kostenlos Futter, Leckerli oder Zubehör für sein Haustier. Die Bedingung: Das Tier muss schon im Haushalt gelebt haben, bevor der Besitzer bedürftig wurde.
Mehr als 30 Tierhalter hätten sich inzwischen registriert, sagt die Gründerin der Tafel, Evelin Pohl. Die meisten Kunden hätten Hunde und Katzen, aber auch eine Schildkröte sei dabei. Im hinteren Bereich der Tafel stehen hohe Regale, darin liegt Tierfutter neben Sachbüchern, Hundegeschirr, Transportkisten, Halsbändern und Futternäpfen. Sogar ein Kratzbaum steht in einer Ecke. Die Räume hat der Eigentümer dem Verein kostenlos zur Verfügung gestellt, das Futter ist gespendet, die Helfer arbeiten ehrenamtlich.
Die Idee zu der Tafel kam Pohl, als sie in der Innenstadt eine ältere Frau traf, die sie verzweifelt ansprach. Die Seniorin konnte die Tierarztrechnung für ihren Hund nicht mehr bezahlen. Inzwischen gehört die Frau zu den regelmäßigen Kundinnen der Tiertafel.
Auch Andrea und Struppi sind seit Beginn dabei. Um ein wenig Hilfe zurückzugeben, - und nicht nur Bittsteller zu sein - arbeitet die 29-Jährige inzwischen auch ehrenamtlich bei der Tiertafel mit. Ihr Geld verdient sie im Moment als Putzfrau, um Hartz-IV aufzustocken. Ihr Mann ist arbeitsunfähig. Da sie kleine Kinder zu Hause hat, kann die junge Frau nicht voll arbeiten. Und wenn am Ende des Monats das Geld knapp wird, hört sie in ihrem Umfeld öfter mal den Satz: Gib doch den Hund weg. «Aber ohne die Tiere hätte ich schon längst aufgegeben.»
Haustiere könnten soziale Unterstützer sein», sagt auch die Psychologin Andrea Beetz. Sie forscht unter anderem an der Universität Rostock zur Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Gerade Menschen in Krisenzeiten hätten oftmals das Gefühl, keine Unterstützung zu bekommen. Viele schämten sich für ihre Bedürftigkeit oder hätten das Gefühl, anderen Menschen zur Last zu fallen. «Da ist es manchmal einfacher, sich einem Tier anzuvertrauen. Das Tier urteilt nicht: Ihm ist es egal, wie viel man verdient.»
Zudem gäben Haustiere ihren Besitzern das Gefühl, gebraucht zu werden, sagt Beetz. «Für das Tier bin ich jemand, der ihm etwas Gutes tun kann: füttern, streicheln, spielen, pflegen. Dieses Kümmern kann immens wichtig sein.» (DPA/LSW)