
Mehr als 20 000 Euro haben Betrüger am Telefon erst am Donnerstag von einer 95 Jahre Frau aus dem Rhein-Neckar-Kreis ergaunert - ein Mann gab sich als Verwandter aus, der Geld für einen Immobilienkauf brauche. Kein Einzelfall: Die Zahlen zum sogenannten Enkel-trick zeigen 2015 bereits einen Trend nach oben, wie ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) am Freitag in Stuttgart sagte. 900 000 Euro haben Betrüger im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg erschlichen, rund 570 Fälle wurden gemeldet - darunter auch gescheiterte.
Dem LKA zufolge bleibt es zwar meistens beim Versuch, doch immer wieder können die Täter mit der dreisten Masche hohe Summen erbeuten. Innerhalb einiger Jahre entsteht Schaden von mehreren Millionen Euro. Zunächst hatten die «Stuttgarter Nachrichten» darüber berichtet.
Allein am vergangenen Donnerstag hatte die Polizei in Stuttgart rund ein Dutzend Betrugsversuche registriert. Am Donnerstag übergab etwa eine 93 Jahre alte Frau 200 Euro Bargeld sowie Schmuck und Goldmünzen im Wert von mehreren tausend Euro an unbekannte Gauner. Auch um Winnenden und im Kreis Göppingen riefen kürzlich Betrüger an. Während eine 84 Jahre alte Frau richtig reagierte und einfach auflegte, wurde eine 93 Jahre alte Göppingerin um 30 000 Euro geprellt.
«Rate mal, wer hier spricht» - so melden sich die Anrufer häufig. Springt das Opfer darauf an und nennt einen Namen, spinnen die vermeintlichen Verwandten die Geschichte weiter. Sie brauchen dringend Geld für eine Wohnung oder ein Auto, wie sie sagen - und drängen die Senioren, einem angeblichen Vertrauten oft fünfstellige Geldbeträge zu übergeben. Seit 2010 entstand so ein Schaden von mehr als 4,3 Millionen Euro im Land - im Jahr schwankte er zwischen 500 000 Euro und 1,1 Millionen Euro, die Zahl der Fälle zwischen rund 280 und rund 730.
Auch regionale Unterschiede seien schwer auszumachen. Im Prinzip sei es zufällig, wo die Täter zuschlagen, sagte ein LKA-Sprecher - Hinweise liefere das Telefonbuch. «Sie orientieren sich vornehmlich an Vornamen, die vor Jahrzehnten üblich waren.» Obwohl die Polizei seit Jahren über die Tricks aufkläre, lasse sich eine Dunkelziffer nicht ausschließen.
«Wer auf so eine Masche hereinfällt, schämt sich oft im Nachhinein und möchte nicht, dass andere erfahren, wie naiv man war», sagte die Geschäftsführerin des Opferhilfeverbands Weißer Ring, Bianca Biwer, in Mainz. Die Betroffenen seien weder dumm noch dement - die Täter aber sehr hartnäckig und geschickt darin, Nachfragen abzuwimmeln. Die Polizei appelliert daher auch an Bankangestellte. Sie sollen besonders auf ungewöhnlich hohe Beträge achten, die ältere Menschen abheben wollen.
Eine Variante des Tricks sind die sogenannten Schockanrufe. Hier rufen die Betrüger vor allem Menschen aus ehemaligen Sowjet-Staaten auf russisch an. Das Geld bräuchten sie wegen eines Autounfalls oder eines Gerichtsverfahrens. Im März verhaftete die Polizei drei Männer, die für solche Fälle im Südwesten verantwortlich gemacht werden. Knapp 500 solcher Anrufe hatte es 2013 im Land gegeben. (DPA/LSW)