40 Tage, 40 Nächte - Wie wir verzichten

Eine Christin mit Aschekreuz auf der Stirn. Foto: Achim Scheidemann
Eine Christin mit Aschekreuz auf der Stirn. Foto: Achim Scheidemann

Mit festem Verzichts-Vorsatz gehen ab Aschermittwoch (18.2.) wieder viele Menschen in die Fastenzeit bis Ostern. Im vergangenen Jahr war es bei einer Umfrage jeder Zehnte in Deutschland. Noch einmal so viele spielten zumindest mit dem Gedanken, Liebgewonnenes für 40 Tage und 40 Nächte einfach mal liegen zu lassen. Dabei kann es ums Fleisch gehen, um Schokolade oder ums Smartphone. Auch die Jugend ist der Tradition gar nicht so abgeneigt - jedoch mit ganz unterschiedlicher Motivation. Eine Typologie:


DER RELIGIÖSE ist der Klassiker. «Solche Unterbrechungszeiten gibt es ja in allen Religionen», sagt Michael Krämer, Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ziel sei es, etwas sein zu lassen, was einem am Herzen liege. «Was trägt mein Leben?» - sich darüber klar zu werden, stehe für diesen Typ im Mittelpunkt. Der Verzicht auf Fleisch sei da nur der Ursprung, heute gebe es ganz viele Formen. Wichtig sei aber, dass man auf «etwas Liebgewordenes» verzichte. Das Fasten sei heute immer auch «geistiger Aufbruch». Und obwohl die Fastenidee schon viel älter ist, gilt Jesus als Vorbild dieses Typs: Schließlich hielt er es laut biblischer Überlieferung einst 40 Tage lang fastend in der Wüste aus.


DER NARZISST will es sich vor allem immer wieder selbst zeigen. Die Fastenzeit ist dafür eine willkommene Gelegenheit. «Für viele geht es darum, sich selbst etwas zu beweisen», sagt Werner Gross vom Psychologischen Forum Offenbach (PFO). «Ich bin in der Lage, mich gegen die Überflutungen des Alltags wehren zu können», beschreibt Gross den Narzissten unter den Fasten-Typen. Dieser habe ein Verlangen danach, seine Selbstdisziplin zu prüfen. Er kann auch ohne das alles leben. «Ich schaffe das!»


DER GESUNDHEITSBEWUSSTE ist laut Umfragen unter den Fastenden in der Mehrheit. Jeder zweite gibt an, aus gesundheitlichen Gründen zu verzichten - meist auf Alkohol oder Süßes. Auch die Fastenkurse der Katholischen Kirche in Stuttgart würden zu 50 Prozent aus gesundheitlichen Gründen gebucht, heißt es dort. Die Fastenzeit und das Verzichten auf Kalorienbomben passe ja auch aus anderen Gründen perfekt in die Jahreszeit, sagt Gross. «Um in den Bikini zu passen.»


DER INKONSEQUENTE: Er nimmt sich ganz viel vor, ähnlich wie zum Jahreswechsel, schafft es aber bei weitem nicht - und belügt sich bis Ostern selbst. Laut Umfrage ist der Anteil dieses Typs aber angeblich recht klein: Von denen, die schon einmal einen Fasten-Versuch gestartet haben, sind die meisten nach eigenen Worten glatt oder so einigermaßen durchgekommen: 44 Prozent blieben eisern, 42 Prozent wurden zwar schwach, hielten danach aber durch. 14 Prozent brachen ab.


DER STILLE: Ist es klug, sein Fasten an die große Glocke zu hängen? «Das kann aber auch schiefgehen. Und dann heißt es: Du bekommst ja nicht mal das hin», warnt Gross. Es könnte also ratsam sein, in aller Stille zu verzichten. Muss ja keiner wissen. Auf der anderen Seite könne die große Glocke aber auch helfen, so Gross. «Der Vorteil ist: Man bekommt Hilfe durch die soziale Kontrolle.» Und schaffe es dann vielleicht leichter, die 40 Tage durchzuhalten.


DER FASTENHASSER: Verzichtet auf nix, ist stolz darauf - und erzählt das überall herum. Auch das könne ein Statement unserer Zeit sein, sagen Experten. Der Psychologe Gross etwa sagt zum Fasten allgemein: «Die Menschen sind heute viel mehr von außen gelenkt. Und von der Frage: Wie wirke ich nach außen?» Sich zum Fasten zu positionieren - egal ob nun pro oder kontra - sei für immer mehr Menschen auch eine grundsätzliche Entscheidung: «Es geht vielfach auch um die Frage: Lebe ich oder lasse ich mich leben?»


DER TRENDSETTER: Verzichtet nie auf Essen, aber aufs Handy oder ähnliches. Wie weit verbreitet diese wohl modernste Form des Fastens ist, lässt sich aber nicht klären. Vielleicht liegt es nur an den inzwischen weit verbreiteten Flatrates fürs Telefonieren oder fürs Internet-Surfen, aber auch die Deutsche Telekom hat keinerlei Hinweise darauf, dass etwa der Smartphone-Gebrauch in den Wochen vor Ostern zurückgeht. Knappe Antwort aus der Zentrale in Bonn: «Gott sei Dank nein.» (DPA)