
Nach harter Kritik an seiner Abschiebepraxis hat sich Innenminister Reinhold Gall (SPD) in Serbien selbst ein Bild davon gemacht, wie zurückgeführte Flüchtlinge dort aufgenommen werden. Die in Deutschland abgelehnten und am Dienstag ausgeflogenen Asylbewerber seien alle von Familie oder Freunden erwartet worden. «Keiner ist gestrandet», sagte Gall der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
Die Behauptungen von Linken und Flüchtlingsorganisationen über die Lage auf dem Balkan hielten der Realität nicht stand. «Da wurde niemand ins Nichts geschickt, wie oft behauptet.» Der Minister war vergangene Woche nach Belgrad gereist, um zu sehen, wie 22 Asylbewerber aus dem Südwesten empfangen werden. «Ich habe kein schlechtes Gewissen», sagte Gall.
Die Debatte war zuletzt durch einen Winter-Abschiebestopp in Schleswig-Holstein und Thüringen neu entbrannt. Gall kann diese Maßnahme nicht nachvollziehen. «Was will man eigentlich mit Winterabschiebestopp sagen? Warum soll es denn humaner sein, am 30. November abzuschieben, und am 9. Dezember nicht?» Im übrigen sei es auf dem Balkan wärmer als in Deutschland. Zudem habe keiner der gerade zurückgekehrten Flüchtlinge in ein Aufnahmelager gemusst. «Sie haben freie Wahl, wo sie hingehen. Es gehen doch einige dahin zurück, woher sie kommen, weil sie dort Wohnraum haben.» Auch der Staat kümmere sich um die Rückkehrer. So stehe ein Ärzteteam bereit, wenn jemand krank ist.
Gall beteuerte, auch ihn berühre das Schicksal der abgeschobenen Menschen. «Die Entscheidungen fallen nicht leicht. Wenn ich dort Familien sehe, wo ich mir vor Augen führen kann, dass die Kinder gestern noch in Deutschland im Kindergarten waren, dann tut das schon auch weh. Aber ich halte das für verantwortbar.» Es seien Menschen, die kein Bleiberecht hätten. «Ich schlafe da ruhig, aber nicht, weil mich das kalt lässt. Andererseits habe ich auch Recht und Gesetz umzusetzen.»
Er habe am Dienstag in Serbien mit Regierungsvertretern, Polizei, Flüchtlingskommissariat, der Hilfsorganisation Help und der Liga Roma ausführliche Gespräche geführt. Es sei klar, dass in einem eher armen Land wie Serbien, in dem das Durchschnittseinkommen 300 Euro betrage, ein anderer Standard herrsche als in Deutschland. Die Umstände in dem Flüchtlingslager in Sabac bei Belgrad, das vom serbischen Roten Kreuz betrieben werde, seien aber in Ordnung gewesen.
Dennoch sagte der Minister: «Da möchten viele von uns nicht wohnen, ich auch nicht. Aber ich möchte auch in der einen oder anderen Asylbewerberunterkunft bei uns in Deutschland nicht wohnen.» Er rate seinen Kritikern wie der Linken, sich Unterkünfte bei uns anzugucken - «neben dem Bauhof oder dem Recyclinghof. Ich rate auch mal, unter die eine oder andere Brücke in Deutschland zu gucken».
Der Präsident der Liga Roma, Osman Balic, habe ihm erklärt, dass die Menschen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik kämen. Balic habe gesagt: «Die Anreizsysteme, die Deutschland bietet, führen dazu, dass Menschen kommen.» Gall erklärte, das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Geldleistungen vor Sachleistungen gingen. «Das haben wir zu akzeptieren. Aber es ist so, es ist ein Anreizsystem.»
Der Minister räumte ein, dass die Lebensbedingungen gerade auch für Minderheiten wie Sinti und Roma in Serbien nicht gut seien. «Gefahr für Leib und Leben und politische Verfolgung gibt es für diese Flüchtlinge nicht.» Doch Sinti und Roma seien bei den Serben nicht beliebt. «Es gibt schon subtile Mittel, um ihnen zu verdeutlichen, dass man sie eigentlich nicht mag.» Es gebe eine versteckte Diskriminierung, etwa bei der Jobsuche. «Aber die gibt es leider auch bei uns. Man sollte bei uns nicht immer so tun, dass bei uns, was Integration, Respekt oder Anerkennung betrifft, alles besser ist.»
Nach Angaben des Ministeriums gibt es im Südwesten derzeit 12 447 Asylbewerber, die zwar keinen Asylanspruch, aber eine Duldung haben. In diesem Jahr habe es 1040 Abschiebungen gegeben - 504 Menschen wurden in die Balkanländer Serbien, Mazedonien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Montenegro zurückgebracht. 2013 waren es insgesamt 10 803 Geduldete und 1055 Abschiebungen. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina gelten nach dem Asylkompromiss seit November als sichere Herkunftsländer. Damit können abgelehnte Bewerber aus diesen Staaten schneller abgeschoben werden. (DPA/LSW)