Express-Busse für «Stauregion Deutschlands»: Wirtschaft skeptisch

Der Raum Stuttgart leidet unter dem Verkehrschaos. Foto: Marijan Murat/Archiv
Der Raum Stuttgart leidet unter dem Verkehrschaos. Foto: Marijan Murat/Archiv

Mit dem Express-Bus von Plochingen nach Schorndorf oder von Ludwigsburg nach Waiblingen - solche neuen Verbindungen könnten künftig die «Stauregion Deutschlands» im Mittleren Neckarraum entlasten. Nach langem Ringen haben sich Land, Verband Region Stuttgart, Stadt Stuttgart und fünf Landkreise auf eine neue Kompetenzverteilung geeinigt, um den Bus- und Schienenverkehr im Mittleren Neckarraum auszuweiten, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart erläuterte. Daran sei vor allem die Wirtschaft interessiert.


Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) begrüßte den ÖPNV-Pakt zwar als «Mosaikstein», mahnte aber weitere Investitionen an. Der Verkehrsstau in der Region koste die Wirtschaft jährlich mindestens 200 Millionen Euro.


Zugleich gaben die Koalitionsfraktionen bekannt, dass 40 Millionen Euro pro Jahr mehr in den Straßenbau fließen, je zur Hälfte für die Sanierung von Straßen und Brücken. Hinzu kommen insgesamt 35 Millionen Euro in 2015/2016 für ein Lückenschluss-Programm bei Landesstraßen und Radwegen. Die Mittel sind Teil eines Sanierungsprogramms von mehr als 300 Millionen Euro für 2015/16. Die FDP-Fraktion nannte die Millionen für den Straßenbau eine «Fata Morgana», da der Ansatz im Haushaltsplan gekürzt worden sei, um sich für einen angeblichen Zuwachs effekthascherisch feiern zu lassen. Die CDU monierte, es handele sich um eine einmalige Haushaltsspritze für den Straßenbau.


Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wies die Kritik vehement zurück. Das Land gebe rund doppelt so viel für Straßenerhalt und -sanierung aus wie die CDU-geführte Vorgängerregierung, die nicht über 50 Millionen Euro hinausgekommen sei. In der mittelfristigen Finanzplanung seien für 2015 zwar 45 Millionen Euro weniger angesetzt als in diesem Jahr, aber die Hälfte davon entfalle auf die dann ausgelaufene Finanzierung von Neubauprojekten der Vorgängerregierung.


Hermann legte dem Kabinett die gesetzliche Grundlage des ÖPNV-Paktes vor, den die Ministerriege absegnete. Damit soll die Zahl der Fahrgäste von derzeit etwa einer Million pro Tag bis 2025 um 20 Prozent erhöht werden. Vor allem sollen Menschen zum Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr bewegt werden. Der ÖPNV-Pakt hat die Kompetenzen des Verbandes Region Stuttgart gestärkt, der für die Ausschreibung und Bestellung des Expressbus-Verkehrs zuständig sein wird. In etwa zwei Jahren werden nach Prognose Hermanns drei bis fünf Expressbuslinien an den Start gehen.

Bis zu 25 neue Bus-Strecken sind möglich, die das sternförmige S-Bahn-Netz in der Region als Querverbindungen ergänzen könnten. Das Reisetempo ist wie bei S-Bahnen, weil die Zahl der Halte begrenzt bleibt. Billigere Fahrpreise wollte der Minister nicht versprechen. «Unser Ziel ist aber: Der ÖPNV muss bezahlbar bleiben.»


Der Abteilungsleiter Industrie der IHK, Hans-Jürgen Reichardt, betonte, es müsse aber auch Ausgaben für die Bus-Infrastruktur geben, neben Extra-Fahrspuren auch Fahrgastinformationssysteme. «Es nutzt nichts, wenn der Bus im Stau steht.» Grundsätzlich seien Busse schneller und flexibler einzusetzen als Züge, für die eine teure und permanente Schienen-Infrastruktur erforderlich sei.


Zum Gesamtpaket gehören auch neue Metropol-Express-Züge für schnelle Verbindungen zwischen Stuttgart und Aalen, Tübingen und Heilbronn in guter Taktung. Die Verbindungen sind Teil der Ausschreibung des Landesverkehrsministeriums für den Schienenpersonennahverkehr. Weiteres Element ist eine passgenaue Verbindung der Verkehrsträger, für die auch der Verband Region Stuttgart verantwortlich ist. Schnittstellen wie Park & Ride oder Bike & Ride sollen finanziell gefördert werden. Die Vermittlung von Mitfahrmöglichkeiten und die Planung von Radrouten soll zudem verbessert werden.


Aus Sicht der IHK ist das Verkehrschaos in der Region nicht durch eine Entlastung für Berufspendler zu bewältigen. Vor allem der Ausbau der Bundesfernstraßen sei der Wirtschaft ein Anliegen, sagte Reichardt. Als Beispiele nannte er die B 27 beim Echterdinger Ei, den Albaufstieg auf der A 8, die A 81 bei den Flaschenhälsen Sindelfingen und Ludwigsburg sowie Abschnitte der Bundesstraßen 10 und 14. (DPA/LSW)