Auch muslimische Mädchen müssen schwimmen: Burkini die Lösung?

Gericht: Muslimische Schülerinnen könnten einen Burkini tragen. Foto: D. Naupold
Gericht: Muslimische Schülerinnen könnten einen Burkini tragen. Foto: D. Naupold

Muslimische Schülerinnen haben sich aus religiösen Gründen oft vom Schwimmunterricht befreien lassen. Doch das soll künftig in Baden-Württemberg nicht mehr so einfach möglich sein. Das Kultusministerium wies per Erlass alle Schulen an, auf eine Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen zu bestehen. Die Mädchen sollten als Alternative mit einem Burkini (Ganzkörperbadeanzug) ins Wasser gehen, hieß es. «Wir halten das unter integrationspolitischen Gesichtspunkten für sinnvoll», sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag zu dem Erlass und bestätigte damit einen Bericht der «Stuttgarter Nachrichten».

Muslimische Schülerinnen haben sich aus religiösen Gründen oft vom Schwimmunterricht befreien lassen. Doch das soll künftig in Baden-Württemberg nicht mehr so einfach möglich sein. Das Kultusministerium wies per Erlass alle Schulen an, auf eine Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen zu bestehen. Die Mädchen sollten als Alternative mit einem Burkini (Ganzkörperbadeanzug) ins Wasser gehen, hieß es.


«Wir halten das unter integrationspolitischen Gesichtspunkten für sinnvoll», sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag zu dem Erlass und bestätigte damit einen Bericht der «Stuttgarter Nachrichten». Die Lehrerverbände und das Integrationsministerium reagierten zufrieden.


Das Ministerium setzt damit ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig aus dem September 2013 um. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil er das Grundrecht auf Religionsfreiheit und den verfassungsrechtlich verankerten Erziehungsauftrag des Staates gleichermaßen berührt. Das Gericht urteilte: Der staatliche Bildungsauftrag stehe über der Religionsfreiheit.


Auslöser für die Regelung des Ministeriums war eine Anfrage von vier Gymnasien aus Esslingen. Des Bundesverwaltungsgericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass muslimischen Schülerinnen die Teilnahme am Schwimmunterricht zugemutet werden kann. Ein Ganzkörperbadeanzug, ein Burkini, kann demnach als Kompromiss akzeptiert werden. Das Kultusministerium betonte zudem, dass Familien immer noch die Möglichkeit hätten, Ausnahmen zu beantragen.


Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte allerdings die Unterstützung seitens der Schulaufsicht, um die Regelung durchzusetzen. «Die deutlichen Aussagen des Kultusministerium machen uns das Leben von oben leichter, aber den Kampf vor Ort müssen immer noch die Lehrer ausfechten», sagte der Sprecher des Lehrerverbandes, Michael Gomolzig, der Nachrichtenagentur dpa am Freitag.


Sollte sich ein Mädchen weiter weigern, zum Schwimmunterricht zu erscheinen, müssten nach Ansicht des VBE zunächst die Schule, dann die Staatlichen Schulämter oder die Regierungspräsidien Mahnbriefe an die Eltern schicken. Bisher hatten sich die Lehrer an einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1993 orientiert. Danach konnten sich Schülerinnen ab der Pubertät auf einen Glaubenskonflikt berufen.


Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Entscheidung als guten Kompromiss: «Die Mädchen können ihren religiösen Gründen gerecht werden, werden aber nicht aus dem Schwimmunterricht ausgegrenzt» sagte die Landesvorsitzende Doro Moritz mit Blick auf die Möglichkeit eines Burkinis.


Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte: «Jede Schülerin und jeder Schüler ist gehalten, am Unterricht teilzunehmen, also auch am Schwimmunterricht. Zudem kann Schwimmenlernen Leben retten.» In der Vergangenheit hatten konservative Muslime die Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Schwimmunterricht mit Jungen gerügt. Die liberalen Aleviten sehen die Entscheidung allerdings gelassen. «Für uns sind Mann und Frau gleichberechtigt. Wir haben keine Kleiderordnung», sagte Ahmet Demir, Vorsitzender des geistlichen Rates der alevitischen Gemeinden in Baden-Württemberg.


Wie viele Mädchen die Regelung in Baden-Württemberg betrifft, lässt sich nur schwer sagen. Allerdings gibt es laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg allein 39 000 Mädchen zwischen fünf und 15 Jahren mit türkischem Migrationshintergrund und damit wohl muslimischem Glauben.


Bereits in der Vergangenheit hatten sich mehrere Gericht mit dem Streit um den Schwimmunterricht beschäftigt. Eltern hatten auf eine Freistellung ihrer Kinder geklagt. Eine Muslimin drohte zudem in diesem Jahr der Stadt Konstanz mit einer Klage, weil sie mit ihrem Burkini 2013 nicht in einem Hallenbad schwimmen durfte. Die Stadt hat sich allerdings bereits um eine entsprechende Änderung der Badeordnung bemüht. Der Städtetag Baden-Württemberg rät seinen Mitglieder hier zur Offenheit: «Wir vertreten die Auffassung, dass unabhängig von der Badeordnung die Religionsfreiheit ein hohes Gut ist», sagte Städtetagsdezernent Gerhard Mauch. (DPA/LSW)