Südwesten weist Kritik an Erdogan-Karikatur in Schulbuch zurück

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Sedat Suna/Archiv
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Sedat Suna/Archiv

Die Türkei hat eine Karikatur ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem baden-württembergischen Schulbuch kritisiert - weder der Verlag noch das Kultusministerium in Stuttgart sahen sich am Dienstag jedoch veranlasst, das Buch zurückzuziehen. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wies die Kritik zurück und unterstrich, Erdogan solle nicht von Demokratieversäumnissen im eigenen Land abzulenken versuchen. 

Aus Sicht des türkischen Außenministeriums beleidigt die Zeichnung, die unter anderem einen Zähne fletschenden Hund in einer Hütte mit der Aufschrift «Erdogan» zeigt, das türkische Staatsoberhaut und die in Deutschland lebenden Türken. Diese Art von Karikaturen spiegele die Zunahme von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.


«Es ist mir unerfindlich, wie man sich darüber so echauffieren kann», sagte Kretschmann. Erdogan solle sich darum kümmern, wie er selbst mit Kritikern umgehe: «Das ist uns bekannt und missfällt uns außerordentlich.» Der Landeschef der Religionsgemeinschaft des Islam, Ali Demir, pflichtete bei: «Deutschland sollte nicht zulassen, dass Erdogan auch hier Kritik unterdrückt - er hat hier nichts zu melden.» Die Darstellung Erdogans als Kettenhund passe zu der aggressiven Haltung Erdogans, mit der er sein Land in die Isolation treibe.


Das Ressort von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) bedauerte zwar mögliche Irritationen bei türkischstämmigen Bürgern. Allerdings sei es der falsche Adressat für Kritik an einem Schulbuch, das von einem Verlag - und nicht vom Ministerium - veröffentlicht wird. Am Dienstagnachmittag trafen sich Stoch und der türkische Generalkonsul in Stuttgart, Ahmet Akinti. Dieser habe dabei die Sicht des Landes auf die Zeichnung zur Kenntnis genommen, hieß es im Ministerium.


Nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin war die Karikatur auch Thema bei einem Gespräch des deutschen Botschafters Eberhard Pohl am Dienstag im türkischen Außenministerium. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sprach sich für einen Türkei-Beauftragten beim Bund aus. «Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland knapp drei Millionen Türkeistämmige leben und wir mit diesen Menschen ein gutes Miteinander wollen, sollte sich die Bundesregierung fragen, ob sie nicht einen Türkei-Beauftragten benennen will», sagte Öney, die selbst Wurzeln in der Türkei hat, den «Stuttgarter Nachrichten» (Mittwoch). Einen solchen Beauftragten gibt es etwa für Russland.


Die Karikatur mit dem Titel «50 Jahre Türkei in Deutschland. Eine Erfolgsgeschichte» ist laut Kultusministerium ursprünglich im Jahr 2011 in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» erschienen. Nachgedruckt ist sie in einem Arbeitsbuch für das Fach «Gemeinschaftskunde/Wirtschaft» an Gymnasien, Klassenstufe 9/10.


Der Georg Westermann Verlag verteidigte die Verwendung der Zeichnung. «Die Karikatur wurde ausgewählt, weil sie auf besonders originelle Art den Prozess des fünfzigjährigen Zusammenlebens türkischer und deutscher Mitbürger aufs Korn nimmt und weil sie viel eher als integrationsverstärkend interpretiert werden kann als umgekehrt», teilte Herausgeber Wolfgang Mattes in Braunschweig mit. Nach Überzeugung des Ministeriums werden die Gemeinschaftskunde-Lehrer, die das Buch einsetzen, das Thema differenziert diskutieren.


Die Verlage haben laut Ministerium einen Rechtsanspruch darauf, dass ihre Bücher für den Einsatz in Schulen zugelassen werden. Bedingung sei, dass sie mit den Erziehungszielen in Grundgesetz, Schulgesetz und Landesverfassung sowie den jeweiligen Bildungsstandards übereinstimmen sowie angemessen didaktisch aufbereitet sind. Die Gutachter hätten an dem betroffenen Werk nichts beanstandet. Die Schulen selbst entscheiden über den Einsatz von Schulbüchern. Das Thema «Einwanderung nach Deutschland» ist laut Ministerium ausdrücklich im Bildungsplan für Gymnasien vorgesehen.


Unterstützung erhielt die Regierung in Ankara dagegen von den nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf und Oliver Wittke, die sich gerade zu Besuch in der Türkei aufhalten. «Völlig inakzeptabel» finden sie den Abdruck der Karikatur in dem Schulbuch - und fordern, es nicht mehr im Unterricht zu verwenden. (DPA/LSW)