Mehr Geld für psychiatrischen Sachverstand in Gefängnissen

Stickelberger: Psychiatrische Kontrolle unabdingbar. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv
Stickelberger: Psychiatrische Kontrolle unabdingbar. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv

Nach dem Tod eines Häftlings im Bruchsaler Gefängnis will das Land mehr psychiatrischen Sachverstand in die Justizvollzugsanstalten bringen. «Wir werden die Möglichkeiten, externe Psychiaterinnen und Psychiater zur Untersuchung und Behandlung von Strafgefangenen hinzuzuziehen, weiter ausbauen», sagte Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Dienstag in Stuttgart. Die zunehmenden psychischen Probleme der Häftlinge stellten das Personal vor große Herausforderungen. 

Allein im vorigen Jahr seien bei 2603 Gefangenen landesweit psychische Auffälligkeiten diagnostiziert worden, das sind mehr als 40 Prozent.


Die bisherigen Kosten für externe Fachärzte bezifferte Stickelberger auf 900 000 Euro (2013). Jetzt sollen 70 000 Euro zusätzlich bereitgestellt werden. So könnten etwa 500 Gefangene mehr als bislang untersucht werden, um Krankheiten früher erkennen und effektiver behandeln zu können.


Auch der in Bruchsal im August wegen Unter- und Mangelernährung verstorbene Gefangene hatte in Einzelhaft gesessen und als psychisch schwierig und sehr aggressiv gegolten. Stickelberger versprach «rückhaltlose Aufklärung» des «bedauerlichen» Falls, der in den vergangenen Jahrzehnten seinesgleichen suche. Mit der Frage von Zwangsernährung habe man sich seit den RAF-Gefangenen nicht mehr auseinandergesetzt. Insbesondere gehe es um die Frage, ob und wann zu erkennen war, dass der Gefangene eine medizinische Versorgung benötigte und welche Maßnahmen in der JVA hätten getroffen werden können. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen den suspendierten Anstaltsleiter sowie gegen eine Ärztin, die den Gefangenen medizinisch betreut hatte.


Stickelberger sagte auch, dass das Bruchsaler Gefängnis seit Dezember 2013 die Einzelhaft des 33-Jährigen nicht mehr angezeigt habe. Damit sei die gesetzliche Berichtspflicht bei Einzelhaft von mehr als drei Monaten «wohl» nicht eingehalten worden. Er habe bereits mit einem Erlass die Leiter der JVA für diese Regelung sensibilisiert.


Derzeit gibt es einen einzigen fest angestellten Psychiater außerhalb des Vollzugskrankenhauses Hohenasperg. Er arbeitet in der JVA Offenburg. In Hohenasperg sind vier Psychiater tätig. Weitere einzustellen, sei kaum möglich, meinte der Minister. «Etwas anderes wäre am Markt vorbei gedacht.» Ein Wechsel in den öffentlichen Dienst sei weder für Psychiater noch Mediziner finanziell interessant. Überdies will Stickelberger die psychiatrische Schulung von Vollzugsbeamten intensivieren. Dafür werde der Fortbildungsetat um 30 000 Euro im Jahr erhöht.


Ein von der CDU-Fraktion gefordertes Sonder-Gefängnis für 100 bis 200 psychisch auffällige Häftlinge lehnte er ab und berief sich dabei auch auf Ratschläge von Experten. In Gefängnissen mit Häftlingen, die unterschiedlich lange Strafen absitzen, sei die Belastung des Personals deutlich geringer als in Einrichtungen, in denen hochproblematische Straftäter konzentriert würden. «Dort gibt es kooperative, vernünftige Gefangene, die ausgleichend wirken können.» (DPA/LSW)