
Unter dem Vorzeichen einer schwächeren Konjunktur will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Wirtschaft und Gewerkschaften über die Absicherung des ökonomischen Erfolgs in Deutschland beraten. Dazu trifft Merkel an diesem Dienstag mit Spitzenvertretern von Wirtschaftsverbänden und Arbeitnehmervertretern zusammen. Auf der Tagesordnung des fünften Gesprächs dieser Art im Gästehaus der Bundesregierung auf Schloss Meseberg bei Berlin stehen unter anderem die Innovations- und Investitionsbedingungen im Land.
In vielen deutschen Unternehmen bröckelt Untersuchungen zufolge angesichts von Krisen und der schwachen Konjunktur in Teilen Europas die Zuversicht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank von April bis Ende Juni 2014 im Vergleich zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt bereits um 0,2 Prozent. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel - ebenfalls in Meseberg dabei - hatte seine Partei zuletzt auf einen auch wirtschaftsfreundlichen Kurs eingeschworen. «Wir können nicht nur der Betriebsrat der Nation sein», mahnte er.
Erwartet wird nun, dass bei dem Spitzentreffen die Sprache auch auf den Fachkräftemangel kommt. Die schwächere Konjunkturentwicklung milderte den Fachkräftemangel zuletzt etwas ab. Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es aber Engpässe in Berufsfeldern wie Maschinenbau oder Metall- und Elektrotechnik, bei Gesundheit und Pflege. Laut Dachverband DIHK wird es für Unternehmen dabei immer schwieriger, ihre Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Im vergangenen Jahr blieben im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHK) 80 000 Ausbildungsplätze unbesetzt.
Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand forderte, den Blick nicht nur auf den Nachwuchs zu lenken. Die Arbeitgeber müssten sich auch mehr auf die immer zahlreicheren Älteren einstellen. «Ein großes Problem ist, dass die Arbeitgeberverbände die Demografie jahrelang als Schreckgespenst missbraucht haben, um Kosten zu senken», sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Würden die Arbeitsbedingungen nicht an die demografische Entwicklung angepasst, drohten Produktionseinbrüche und eine Krise auf dem Arbeitsmarkt. «Und dafür braucht es Innovationen und Investitionen.»
Nötig seien Reformen für eine Humanisierung der Arbeit, mehr Miteinander von Jung und Alt, von Chef und Mitarbeiter. Buntenbach: «Arbeitsplätze müssen altersadäquat umgebaut, Stress abgebaut, Arbeitszeiten auch im Interesse der Beschäftigten flexibilisiert und Lebensphasen berücksichtigt werden.»
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hielt solchen Forderungen entgegen, dass die Beschäftigten ihre Situation positiv sähen. Laut Umfrage der Kranken- und Unfallversicherungen empfänden etwa jeweils mehr als 80 Prozent ihre Arbeit als abwechslungsreich und als Quelle von Anerkennung.
Auch infolge von Bemühungen um höhere Beschäftigung Älterer sei die Erwerbstätigenquote der 55- bis unter 65-Jährigen zwischen 2000 und 2012 von 37,4 auf 61,5 Prozent gestiegen. Laut einer Erhebung der IG Metall halten indes nur 33 Prozent der Befragten den eigenen Betrieb für gut vorbereitet auf die älter werdende Gesellschaft, mehr als die Hälfte ist skeptisch.
Neben den Regierungsvertretern werden Spitzenleute der Wirtschaft und des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Meseberg erwartet. Konkrete Beschlüsse werden nicht erwartet. Auch die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung zur Tarifeinheit in den Betrieben gegen die starke Stellung kleiner Spartengewerkschaften könnten am Rande angesprochen werden. Offen ist hierbei, wie die Regierung ihr Vorhaben so gestalten kann, dass das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet sind. (DPA)