Sie sind überall - und wer behauptet, nicht hinzuschauen, lügt. Ultrakurze Hosen junger Frauen und Mädchen dominieren in diesem Sommer die deutschen Fußgängerzonen. Sie kamen Modeexperten zufolge zwar schon vor fünf Jahren wieder auf - aber jetzt sind sie zur Streetwear geworden.
Völlig alltagstauglich also, sagt die Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Mode- und Textildesigner, Mara Michel. «Das sieht einfach hübsch aus.» Wer schöne Beine habe, könne sie auch zeigen. Das provoziere heute kaum noch jemanden. «Ihre Eltern schocken sie damit nicht, die haben es in den 60er und 70er Jahren ja vorgemacht.» Doch nicht alle nehmen das Thema so leicht.
An einigen Schulen stören sich Lehrer, Eltern oder auch Mitschüler an den Hotpants. Manchmal sind es religiöse Gründe, manchmal fürchten Mütter und Väter, ihr Sohn könne über die viele Haut das Lernen vergessen. Zum Teil gelten sogar Verbote unangemessener Kleidung. Am Evangelischen Heidehof-Gymnasium in Stuttgart zum Beispiel gibt es für Schüler, die sich unpassend anziehen, schwarze und graue XXL-T-Shirts zum Überziehen. So groß, dass sie fast bis zu den Knien reichen.
Zum Einsatz gekommen seien die Shirts zwar fast noch nie, sagt Schulleiter Berthold Lannert. Aber die Klassenlehrer frischen die Erinnerung daran bei den Schüler immer wieder auf - zu Beginn der warmen Jahreszeit. Mit Prüderie habe das nichts zu tun. «Schule ist praktisch die Arbeitsumgebung und da sollte man so etwas nicht anziehen. Schule ist kein Laufsteg.» Die Idee dahinter: «Wir wollen das Gefühl dafür stärken, wann etwas anfängt, peinlich zu sein - immer im Dialog mit den Schülern.»
Die Wahrheit liegt dann vielleicht irgendwo zwischen Bikinihose und Jeans. Denn was peinlich ist, sieht wohl jeder ein bisschen anders. «Ich bin immer der Meinung: Dem Anlass entsprechend», findet der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Realschullehrer, Jürgen Böhm. Dialog sei hier der Schlüssel. Lehrer müssten Schülern auch Freiheit und Individualität zugestehen. «Wenn die Hosen zu kurz werden und der halbe Hintern raushängt, wird es schwierig.» Bei vielen ist hier auch auf der Straße die Schmerzgrenze überschritten.
Nicht unbedingt für Mode-Expertin Michel. «Die probieren einfach aus», sagt sie. «Wenn man die Pobacken sieht und das hübsch aussieht, ist das doch ästhetisch.» Sie schränkt aber ein: Zur Bikinihose sollten die ultrakurzen Hosen nicht werden. Und es könne sie auch nicht jeder tragen. Wer nicht die Figur dazu habe, solle sie besser nicht anziehen. «Es gibt für jeden Körper die Ästhetik, die zu ihm passt.» Das wüssten nicht alle Mädchen - weshalb Michel dafür plädiert, ein Schulfach Ästhetik und Geschmacksbildung einzuführen.
Ein wenig Nachhilfe in Sachen guter Geschmack befürwortet auch Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Eltern und Lehrer müssten darauf achten, die Geschmacksbildung der Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. Es spreche deshalb vieles dafür, ihnen feste Grenzen zu setzen und die Gründe dafür zu erklären.
Und Zoff zu Hause wegen zu wenig Stoff? Eher nicht, sagt der Wissenschaftler. «Tatsächlich lassen sich Eltern heute kaum noch durch die Kleidung ihrer jugendlichen Kinder provozieren. Oft machen sie ihnen den Kleidungsstil sogar direkt nach, denn sie wollen auch jugendlich und frech erscheinen.» Aber noch viel zu selten, findet Michel, die auch ältere Frauen zu mehr Offenheit ermuntert: «Mir sind deutsche Frauen noch viel zu langweilig angezogen, hier fehlt noch ganz viel Mut. Und die Jugendlichen machen uns vor, wie es geht.» (DPA)
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