EU-Staats- und Regierungschefs ringen um Kommissionsvorsitz

Sowohl Jean-Claude Juncker (l) als auch Martin Schulz wollen EU-Kommissionspräsident werden. Foto: Julien Warnand
Sowohl Jean-Claude Juncker (l) als auch Martin Schulz wollen EU-Kommissionspräsident werden. Foto: Julien Warnand

Nach der Europawahl beginnt der Poker um den politischen Spitzenposten in der EU. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten heute in Brüssel erstmals über die Nachfolge des scheidenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso beraten. Die 28 Politiker kommen dazu zu einem Abendessen zusammen. Ein Kandidat werde dabei aber noch nicht bestimmt, erklärten EU-Diplomaten.

Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) hatte am Sonntag die Europawahl gewonnen und beansprucht den Brüsseler Spitzenposten für ihren Kandidaten Jean-Claude Juncker. Aber auch der Sozialdemokrat Martin Schulz will Kommissionspräsident werden.

 

Das Verfahren ist kompliziert, denn das Vorschlagsrecht liegt bei den Staats- und Regierungschefs - doch das Parlament muss zustimmen. Das Erstarken populistischer und rechter Parteien erschwert eine Mehrheitsfindung. Kanzlerin Angela Merkel rechnet mit wochenlangen Verhandlungen über die Besetzung aller Führungsämter.

 

«Wir brauchen ein europäisches Personalpaket», sagte die CDU-Chefin am Montag in Berlin. Luxemburgs Ex-Regierungschef Juncker sei der EVP-Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten. Weder die EVP noch die europäischen Sozialisten könnten die Personalie aber alleine bestimmen.

 

SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte in Berlin, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten werde kein Kommissionspräsident gewählt. Die EVP werde Angebote machen müssen, damit Juncker im Europaparlament eine Zustimmung erhält. «Das ist keinesfalls selbstverständlich», sagte er.

 

Der konservative Parteienblock EVP errang nach vorläufigem Stand (Montag, 18.00 Uhr) nur noch 213 der 751 Sitze im Europaparlament. Bisher waren es 273. Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) kam mit 190 Sitzen (bisher: 196) auf Platz zwei. Auf Platz drei liegen die Liberalen mit 64 Sitzen (bisher: 83).

 

Rechtsorientierte und populistische Parteien legten insgesamt von 64 auf rund 143 Mandate zu. Unklar ist, ob sie eine Fraktion bilden werden. In Frankreich etwa wurde die rechtsextreme Partei Front National (FN) klar stärkste Kraft.

 

Der französische Staatschef François Hollande bezeichnete es als schmerzhaft, dass ausgerechnet in einem der Gründungsländer der EU sechs von zehn Wählern nicht zur Wahl gegangenen seien und jeder Vierte für die extreme Rechte gestimmt habe. Wie bereits mehrmals in der Vergangenheit kündigte er an, sich für eine Neuausrichtung der EU einsetzen zu wollen. Diese stehe seit zwei Jahren vor allem für eine rigide Sparpolitik, die die Menschen entmutige. Hollande kündigte an, beim EU-Gipfel für seine Ideen werben zu wollen.

 

Dieser beschäftigt sich neben Personalfragen ferner mit der Wahl in der Ukraine vom Sonntag. Da die Lage in dem Land nicht eskaliere, stünden schärfere Sanktionen gegen Moskau zur Zeit nicht an, hieß es vor dem Treffen. (DPA)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0