Keine Themen: Wahlexperte sagt geringere Wahlbeteiligung voraus

Der Medienforscher Frank Brettschneider. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv
Der Medienforscher Frank Brettschneider. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv

Für die Europa- und Kommunalwahlen rechnet der Stuttgarter Wahlexperte Frank Brettschneider im Südwesten mit einer nochmal geringeren Beteiligung als 2009. Der Wahlkampf sei «relativ schleppend» verlaufen, sagte der Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim der Nachrichtenagentur dpa. Zündende Themen habe es so gut wie gar nicht gegeben. «Und wo sind die Entwürfe für eine unterschiedliche europäische Politik?» 

 

Vor fünf Jahren hatte nur knapp jeder zweite Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben.

 

Am Sonntag sind in Baden-Württemberg rund 8,3 Millionen Menschen zur Europawahl aufgerufen. Bei den Kommunalwahlen sind es sogar rund 8,5 Millionen potenzielle Wähler. Erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige bei einer landesweiten Wahl mitmachen. Das sind rund 200 000 Wähler mehr. Die Zahl der Erstwähler schätzt das Amt auf etwa eine Million.

 

Beide Wahlen träfen traditionell auf nicht besonders viel Interesse, sagte Brettschneider. Die Beteiligung bei den Kommunalwahlen sinke kontinuierlich, vor fünf Jahren lag die Quote bei gerade mal 51 Prozent. Auch an der EU-Wahl 2009 beteiligte sich bundesweit nur jeder zweite Wahlberechtigte. Welche Wahl die Menschen eher an die Urnen treibt, lasse sich nicht sagen. «Das hängt immer stark von den Themen ab, die es in einer Stadt gibt.»

 

Laut Brettschneider könnte die Euro-Krise seit 2009 zu einer weiteren Entfremdung der Manschen von Europa geführt haben. Bei vielen fehle die emotionale Bindung an Europa. Nach Umfragen interessierten sich nur 40 Prozent der Wähler für die Politik in Brüssel.

 

Am interessantesten werde wohl das Abschneiden der kleinen Parteien, sagte Brettschneider. Zum einen, weil sie meist besser mobilisieren können und von einer geringen Wahlbeteiligung profitieren. Zum anderen aber auch, weil die Sperrklausel von 3 Prozent weg ist. 0,5 Prozent oder 130 000 Wähler bundesweit reichten für einen Sitz. Spannung verspreche daher das Abschneiden der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) und der weiter kriselnden FDP.

 

Brettschneider glaubt nicht, dass man das Ergebnis der Europawahl landespolitisch interpretieren kann. Landespolitische Themen spielten bei der Europawahl keine Rolle. Bezugspunkte könne es allenfalls zur Bundespolitik geben. So versuche die CDU bewusst, Kanzlerin Angela Merkel in den Mittelpunkt ihres Europawahlkampfes zu stellen.

 

Damit sei auch ein «Kretschmann»-Effekt für die Südwest-Grünen bei der Europawahl unwahrscheinlich, sagte Brettschneider. Allerdings sei die Ökopartei in Baden-Württemberg traditionell stärker als in anderen Bundesländern, so dass sie auch bei der Europawahl einen höheren Stimmenanteil einfahren dürfte als bundesweit.

 

Die SPD profitiere wahrscheinlich davon, dass bundespolitisch nun sozialpolitische Themen im Vordergrund stünden wie die Rente mit 63. Auch die erstmalige Personalisierung mit dem Deutschen Martin Schulz als Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten könnte der SPD in Deutschland helfen. (DPA/LSW)

 

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