
Die immer frühere Blüte der Apfelbäume im Südwesten ist für Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ein Beleg für den Klimawandel. Im Vergleich zu 1989 blühten die Bäume heute etwa 13 Tage früher, sagte der Minister am Mittwoch in Selbach im Murgtal. «Diese zeitliche Verschiebung des Frühlings zeigt eine Auswirkung des Klimawandels.»
In der Folge bestehe die Gefahr, dass Schädlinge und Krankheitserreger aus wärmeren Regionen einwandern.
Auch heimische Schädlinge könnten von der wärmeren Witterung profitieren. So hat laut Harald Gebhardt von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) in diesem Frühjahr der zu den Rüsselkäfern gehörende Apfelblütenstecher einigen Schaden angerichtet. Zu befürchten sei ebenfalls ein Zuwachs bei Raupen des Schmetterlings Apfelwickler, welche die Ernte bedrohen. «Auch Viren und Bakterien mögen warmes Wetter, und wir müssen mit einer Zunahme von Pilzen rechnen.»
Die frühe Blüte berge auch die Gefahr, dass späte Fröste die Blüten vernichteten. In diesem Jahr habe man allerdings Glück gehabt, sagte Kai Höpker vom LUBW. Die Obstbäume selbst reagierten unterschiedlich auf den vorgezogenen Frühling. «Einige Arten kommen damit nur schwer zurecht und müssen wohl langfristig gegen wärmeresistentere ausgetauscht werden.» Dafür gebe es den positiven Effekt, dass künftig auch Aprikosen, Pfirsiche und Nektarinen im größeren Stil im Südwesten angebaut werden könnten.
Die Obstbauern müssten sich jedes Jahr neu auf das Wetter einstellen, sagte die Geschäftsführerin des Landesverbandes Erwerbsobstbau Baden-Württemberg, Kathrin Walter. «Jetzt hat es sehr früh geblüht, vergangenes Jahr hatten wir einen sehr langen Winter und waren drei Wochen später.» Die Züchter hätten bereits reagiert und neue Sorten auf den Markt gebracht. Hin und wieder tauche auch ein Schädling auf, der hierzulande noch nicht so bekannt sei. «Da setzen wir darauf, dass die Forschung Mittel findet.»
Die Entwicklung hat wirtschaftliche Bedeutung. Mit den drei Obstbaulandschaften Bodensee, Rheinebene und Neckar-Tauber ist Baden-Württemberg der größte Obstproduzent in Deutschland. «Jeder zweite deutsche Apfel kommt aus dem Südwesten», heißt es in einer Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums. Etwa 9000 Betriebe bewirtschafteten 21 000 Hektar Fläche. Auch bei der Obstverarbeitung steht das Land an der Spitze: Mehr als 100 Fruchtsafthersteller produzieren jährlich bis zu 200 Millionen Liter Saft.
Gemeinsam mit der LUBW will das Ministerium den Klimawandel weiter beobachten und eine «Anpassungsstrategie» entwickeln. «Der Entwurf wird im Herbst auf einem Kongress vorgestellt und diskutiert», kündigte der Minister an. Neben der Landwirtschaft wird es dann auch um die Folgen der Klimaerwärmung für die Gesundheit, die Arbeitswelt und die Wasserversorgung gehen.
Bei der Datenerhebung arbeitet die Landesanstalt mit Bürgern und dem Südwestrundfunk (SWR) zusammen. Die Spaziergänger melden dem SWR die ersten Apfelblüten und schicken Bilder ein. Seit Beginn des Projektes vor acht Jahren seien 25 000 Meldungen eingegangen, sagte LUBW-Präsidentin Margareta Barth. «Diese Langzeitbeobachtungen erlauben es uns, zwischen natürlich vorkommenden jährlichen Schwankungen und einen durch den Klimawandel verursachten Trend zu unterscheiden.»
Dabei ist ein denkwürdiger Fakt aufgetreten: Die Obstbestände im Murgtal eignen sich für eine deutschlandweite Prognose. Während die Bäume im Tal zu den Frühblühern gehören, öffnen sich die Blüten in den Höhenlagen erst so spät wie ihre Schwestern an der Ostseeküste. (DPA/LSW)
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