Neues Buch von Gerhard Schröder wird vorgestellt

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (hier bei einer TV-Aufzeichnung) veröffentlicht einen Interview-Band. Foto: Bodo Marks
Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (hier bei einer TV-Aufzeichnung) veröffentlicht einen Interview-Band. Foto: Bodo Marks

Im April wird Gerhard Schröder 70, in einem Interview-Buch zieht der Altkanzler Bilanz. Der Interview-Band «Klare Worte» wird heute von Schröder und dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, vorgestellt. Die SPD kommt nur bedingt gut weg, ein Sonderlob bekommt Sigmar Gabriel. Hart geht er mit der Energiewende und der Kanzlerin ins Gericht - den Atomausstieg bis 2022 schreibt er ab.

Für Gerhard Schröder ist Arroganz das falsche Wort. «Überlegenheit trifft es besser. Einfach zu sagen: Ich weiß es besser. So, basta.» So lautet seine Antwort auf die Frage, wie er als Kanzler reagierte, wenn ihm der Wind ins Gesicht geblasen hat. Die Kanzlerjahre seien ein Knochenjob gewesen, ständig fremdgesteuert von Terminen. Aber einem ausländischen Staatsgast könne man halt schlecht sagen: «Tut mir leid, ich würde jetzt lieber ein Eis essen», erzählt der frühere Kanzler (1998 - 2005) im neuen Interview-Buch.

 

Manchmal versuchte er es zum Druckabbau mit Tennis. «Auf einem internationalen Gipfel in Kanada habe ich zum Beispiel gegen Tony Blair gespielt. Er reiste mit einer eigenen Trainerin an, hatte aber trotzdem keine Chance.» Gegen Druck helfe Sport aber letztlich wenig. «Das wichtigste Mittel ist Verdrängung», erzählt Schröder im Gespräch mit dem Journalisten Georg Meck.

 

Das Buch erscheint im Herder-Verlag. Es sind 238 lesenswerte Seiten, die von der Politik als Beruf, über Europa und Russland bis zur Energiewende und zu SPD-Chef Sigmar Gabriel reichen. Der Titel: «Klare Worte.» Es ist seine Sicht, kurz vor seinem 70. Geburtstag am 7. April. Natürlich stellt sich Schröder in ein ihm genehmes Licht - und hadert immer noch mit Teilen der SPD.

 

«Große Teile der SPD fanden die Agenda im Grunde eine Zumutung, die man bestenfalls hinnehmen kann, zu der man sich aber nicht bekennen darf», sagt Schröder über die Agenda 2010. Auf die Frage, ob die SPD das Brüsten mit den positiven Effekten CDU und CSU überlasse, sagt Schröder: «So ist es, und zu ihren Eigenarten gehört auch, dass sie diesen Fehler nicht einsehen kann.» 2003 hatte er wegen der hohen Arbeitslosigkeit die Reform auf den Weg gebracht: Der Arbeitsmarkt wurde flexibilisiert, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gekürzt, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt.

 

Anders als Altkanzler Helmut Schmidt ist Schröder längst noch nicht der über den Dingen schwebende Staatsmann. Selbstkritisch sieht er heute seinen raschen Wechsel vom Kanzleramt zum deutsch-russischen Pipelineprojekt NordStream, der ihm den Spitznamen «Gas-Gerd» einbrachte. «Über das Tempo des Wechsels lasse ich mit mir reden. Vielleicht wäre eine gewisse Karenzzeit besser gewesen.» Kaum etwas hängt Schröder so nach wie seine Charakterisierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin als «lupenreinem Demokraten». «Ich relativiere meine Haltung zu Putin nicht. Und ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind.» Es sei ein mühsamer Weg, die Folgen einer jahrzehntelangen totalitären Herrschaft zu überwinden - das Anti-Homosexuellen-Gesetz hält er aber für falsch.

 

Bis hin zur CDU-Kanzlerin Angela Merkel wird in den Reformen von Schröders Agenda 2010 ein Hauptgrund dafür gesehen, dass in Deutschland heute die Arbeitslosenzahl mit 3,14 Millionen vergleichsweise niedrig ist. «Deutschland ist mächtiger denn je in seiner Nachkriegsgeschichte», sagt Schröder im Vorwort des Buchs und mahnt die große Koalition von Union und SPD: «Das darf aber nicht dazu führen, dass sich Politik auf das bequeme Verteilen von Wohltaten beschränkt und die unbequemen Entscheidungen auf kommenden Generationen abwälzt.» Schon vorab war seine Kritik an dem milliardenschweren Rentenpaket publik geworden.

 

In diesem Zusammenhang sieht er das Management der Energiewende als «erbärmlich» an. Er wettet, dass das letzte deutsche Atomkraftwerk nicht wie geplant Ende 2022 vom Netz gehen kann. «Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass die ursprünglichen Zeiträume, für die wir im Jahr 2000 den Atomausstieg verhandelt hatten, also 32 Jahre, sinnvoll sind.» Dann habe seine Nachfolgerin zunächst den Ausstieg kassiert, die Laufzeiten verlängert und nach Fukushima eine radikale Volte hingelegt. «Ich habe Frau Merkels Aktionismus nicht verstanden. Warum hatte sie nicht die Größe, nach Fukushima zu sagen: Wir gehen zum unter Rot-Grün ausgehandelten Energiekonsens zurück.» Kein Konzern hätte klagen können. «Sie haben ja alle unterschrieben.»

 

Auch wenn er mehrfach mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auftrat und dabei seine berühmte Geste mit den emporgereckten, ineinander verschlungenen Händen machte: Der SPD-Wahlkampf war aus seiner Sicht eine Pleite. «Erfolgreiche Wahlkämpfe sehen anders aus.» Die SPD habe nie mit einem Umverteilungswahlkampf gewonnen. «Erfolgreich war sie nur mit den Kandidaturen von Willy Brandt, Helmut Schmidt und mir.»

 

Wenn die SPD wieder erfolgreich sein wolle, müsse sie als Kraft wahrnehmbar werden, «die sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Arbeitsplätze, vor allem in der Industrie, einsetzt». Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Gabriel traut er da einiges zu. Wie Gabriel die SPD in die große Koalition geführt und was er der Union alles abgetrotzt hat, nötigt ihm Respekt ab. «Das war sein Meisterstück», adelt Schröder. Ein Lob unter Niedersachsen. (DPA)

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