
«Konzentriere dich!», mahnt eine tiefe Stimme aus dem Lautsprecher. Auf der Bühne steht ein scheinbar gelangweilter Jugendlicher vor einem Stuhl in einem fiktiven Klassenzimmer. Plötzlich grinst er breit und beginnt geschickt Stifte und Blöcke verschwinden zu lassen, zu vervielfachen und wieder herzuzaubern. Der Junge heißt Nikolai Striebel und ist mit 15 Jahren der jüngste Teilnehmer bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft der Zauberkunst.
Sie findet bereits zum zweiten Mal in Sindelfingen in Baden-Württemberg statt.
Nikolais Spezialgebiet ist die Manipulation. Durch den Gewinn der Deutschen Juniorenmeisterschaft im September konnte sich der Reutlinger für den Wettbewerb der «Großen» qualifizieren. Seither ist er auch Mitglied im «Magischen Zirkel von Deutschland», einem eingeschworenen Zaubererkreis. Nicht nur Hobbymagier gehören dazu, sondern auch internationale Größen wie die Zauberkünstler und Dompteure Siegfried und Roy. 2900 Mitglieder sind es insgesamt.
«Um aufgenommen zu werden, muss man eine Prüfung schaffen oder eine Meisterschaft gewinnen - so wie ich in der Jugend», sagt Nikolai. Seit Oktober hat er jeden Tag rund fünf Stunden für seinen Auftritt in Sindelfingen geübt.
Junge Zauberer wie Nikolai seien ein Glücksfall für die Magierszene, weiß Julius Frack. Er selbst war 2009 Weltmeister und zeigte seine Show schon auf der ganzen Welt. Trotzdem lässt er sich noch immer gerne verzaubern und begeistern. Bei der diesjährigen Meisterschaft gehört er zur Jury. «Originell soll es sein, modern und am besten noch nie da gewesen. Das wollen die Leute sehen», sagt der Profi.
Das Spektrum der Zauberer in Sindelfingen ist breit. Eine charmante Seniorin muss sich vom Illusionisten Jochen Stelter nicht nur ihre Wirbelsäule durchbohren lassen, sondern auch den ein oder anderen Spruch einstecken. Die neue Hüfte sei ja erst vier Monate alt, also sicherlich noch ein Garantiefall, scherzt Stelter. Er lässt sich von zwei jungen Männern mit nacktem Oberkörper zwei Metallplatten reichen, die die Kiste, in die sich die Seniorin gelegt hat, in zwei Hälften teilen.
Auch Mentalmagier, wie das Duo «Thommy Ten & Amelie», verblüffen das Fachpublikum. Die 900 Besucher der nicht öffentlichen Meisterschaft sind alle selbst Zauberer. Während Amelie - eine der wenigen teilnehmenden Frauen - auf der Bühne sitzt, flitzt Thommy Ten durch den Zuschauerraum und lässt sich Gegenstände von den Besuchern reichen. Mühelos errät Amelie mit verbundenen Augen die Seriennummer etwa eines Geldscheins oder die Marke einer Zigarette, die ihr Partner sich anzündet.
So unterschiedlich die Shows auch seien, der Ansporn, der die Magier antreibe, sei ähnlich, sagt Nikolai. «Etwas Eigenes zu schaffen! Deine persönliche große Nummer. Das ist das Ziel und da wollen alle hin.» Ob er Deutscher Meister wird, erfährt Nikolai aber erst am Sonntag. Da hilft auch keine Zauberei. (DPA)
Kommentar schreiben