Archäologie 2013: Puzzle Löwenmensch und uralte DNA

Der Löwenmenschen fügt sich zusammen. Foto: Muehleis Yam/Lad Esslingen
Der Löwenmenschen fügt sich zusammen. Foto: Muehleis Yam/Lad Esslingen

Luxuriöse Feldsteinkeller, ein uraltes Kunstwerk zum Puzzeln, mit Hightech in die Vergangenheit: Deutsche Archäologen sind im Jahr 2013 spannenden Fragen nachgegangen. Manches Rätsel haben sie gelöst, in den meisten Fällen wartet aber weitere Arbeit. Der Löwenmensch etwa, eine rund 40 000 Jahre alte Kultstatuette, ist seit diesem Jahr wieder so gut wie komplett. 

Wissenschaftler haben die Figur, die zu den ältesten bekannten Kunstwerken der Menschheit gehört - um etwa 80 neu gefundene Fragmente ergänzt.

 

Dabei stellte sich heraus: Der Löwenmensch ist ein Mann - das war vorher nicht sicher. 1939 waren die ersten Teile des Löwenmenschen in der Stadelhöhle im Lonetal im (Alb-Donau-Kreis) gefunden worden. Im liegengebliebenen Aushub entdeckten Archäologen Jahrzehnte später weitere Mammut-Elfenbein-Stückchen entdeckt. Wer den 31,1 Zentimeter großen Löwenmenschen im Original sehen möchte, findet ihn im Ulmer Museum.

 

Der 550 Kilometer lange Limes als längstes Bodendenkmal nach der Chinesischen Mauer ist deutlich schwieriger zu präsentieren. Die ehemalige Grenze zwischen dem Römischen Reich und den germanischen Stammesverbänden verläuft durch Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz - allerdings ist sie zu größeren Teilen nicht leicht erkennbar. Etwa 40 Prozent der Anlagen und der Strecke sind mit bloßem Auge erkennbar, schätzt der bayerische Landeskonservator Sebastian Sommer. «Wir wollen den Limes noch sichtbarer und damit verständlicher machen.» Helfen sollen Hinweisschilder, aber auch zunehmend Apps. Noch immer gebe es spannende Forschungsfragen wie die nach dem Zusammenspiel von Militär und Zivilisten und dem Einfluss der römischen Kultur auf die einheimische Bevölkerung.

 

Dass bei archäologischen Projekten schlecht ein Ende ausgemacht werden kann, zeigt sich im Braunkohletagebau Schöningen in Niedersachsen. Fachleute sprechen von einer der wichtigsten archäologischen Fundstellen der Welt. Die ältesten bekannten Jagdwaffen wurden hier entdeckt. Acht Wurfspeere, mit denen Vorgänger der Neandertaler vor mehr als 300 000 Jahren am einstigen Seeufer eine Herde Wildpferde erlegten, sind seit Juni in einem neuen Forschungs- und Erlebniszentrum namens Paläon unweit ihrer Fundstelle zu sehen. Unterdessen gehen die Grabungen im Tagebau weiter. «Wir erhoffen uns weitere neue Erkenntnisse über das Leben der ersten Menschen in Norddeutschland», sagt Forschungsleiter Thomas Terberger. Aktuell werte ein Holzwissenschaftler Funde aus.

 

Weitere tiefe Einblicke in mittelalterliche Dörfer haben Archäologen in Brandenburg gewonnen. Bevor der Ort Diepensee endgültig dem neuen Berliner Flughafen weichen musste, begannen die Forscher vor rund zehn Jahren im ganzen Dorf zu graben. Dabei fanden sie fast flächendeckend Feldsteinkeller unter den Bauernhäusern. Das gilt als Luxus für die Zeit. Schlüssel, Riegel und Schlossbleche deuten auf abgeschlossene Türen und Truhen hin, Sporen und Zubehör zeugen von Pferden. Mehrere Zehntausend Fundstücke kamen zutage, wie Forschungsmitarbeiterin Blandine Wittkopp sagte. Viele zeugen davon, dass Diepensee eine besondere Stellung hatte. Derzeit werden die Funde ausgewertet.

 

Wie groß der Beitrag moderner Technologie für die Arbeit der Archäologen ist, zeigen neue Erkenntnisse zur Bevölkerungsentwicklung Europas. Forschern aus Mainz, Australien und Halle (Sachsen-Anhalt) konnten die DNA mehrerer hundert jungsteinzeitlicher Skelette untersuchen. Die besonders gut erhaltenen Funde waren an 25 Orten des Mitteelbe-Saale-Gebietes gemacht worden. Die Studie zeigt den Forschern zufolge, dass die genetische Vielfalt in Europa etwa mit dem Wandel von der jagenden und sammelnden Lebensweise hin zur sesshaften und produzierenden zusammenhängt. Auch in anderen Regionen Europas soll die Besiedelungsgeschichte nun auf diese Weise erforscht werden.

 

Mittels besonderer Messungen aus der Luft wurden - allerdings schon 2012 - im Rheinland römische Übungslager entdeckt. Aus einem Hubschrauber wurde mit Laserstrahlen der Boden vermessen und ein 3D-Modell erstellt. Anhand der typischen Form und der Größe von mehr als einem Hektar erkannten die Experten 16 bis dato unbekannte Übungslager. «Die Übungslager wurden kurzfristig genutzt und wieder verschlossen», sagte Steve Bödecker vom Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Wann die Übungslager, von denen im Rheinland bislang 150 bekannte sind, genau genutzt wurden, sei nicht klar. «Dafür müssten wir sie in großem Stil ausgraben», sagte Bödecker weiter.

 

Dreidimensionale Darstellungen spielen aber nicht nur im Gelände eine Rolle, sondern auch bei der Dokumentation von Fundstücken. Das Sächsische Landesamt für Archäologie etwa rekonstruierte auf diese Weise einen jungsteinzeitlichen Holzbrunnen aus der Nähe von Leipzig. Dabei traten mehr als 7100 Jahre alte Bearbeitungsspuren zutage. Landesarchäologin Regina Smolnik betont den archäologischen Grundsatz: «Schützen, was im Boden ist.» Wenn etwas ausgegraben werde, würden zugleich Spuren zerstört. Die Methoden der Archäologie entwickeln sich ständig weiter, eventuell sind später wertvollere Erkenntnisse möglich. «In 99,9 Prozent der Fälle graben wir, weil eine Baumaßnahme ansteht», sagt Smolnik. Aus schlichtem Interesse grabe heute kaum jemand. (DPA)

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