Union und SPD ringen um Koalition: Streitpunkte bis in letzte Runde

SPD-Chef Sigmar Gabriel (r) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier verlassen in der Nacht nach den Koalitionsverhandlungen die CDU-Parteizentrale. Foto: Soeren Stache
SPD-Chef Sigmar Gabriel (r) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier verlassen in der Nacht nach den Koalitionsverhandlungen die CDU-Parteizentrale. Foto: Soeren Stache

Union und SPD gehen mit zentralen Streitfragen wie etwa zu Maut, Mindestlohn und Rente in die voraussichtlich letzte Runde der Koalitionsverhandlungen. Am Dienstagmittag kommt die 15-köpfige Gruppe um die Parteiführungen im Willy-Brandt-Haus zusammen. Ab 19.30 Uhr tagt dann das Beschlussgremium - die große Runde mit etwa 75 Verhandlern. Am Mittwoch soll der Koalitionsvertrag stehen. 

In rund elfstündigen Gesprächen gingen CDU, CSU und SPD bis zum frühen Dienstagmorgen Seite für Seite des ersten Entwurfes des Koalitionsvertrags durch. Es sei um viele Details gerungen worden, die Stimmung sei recht gut gewesen, hieß es in Verhandlungskreisen.

 

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte beim Verlassen der CDU-Parteizentrale auf die Frage von Journalisten, ob alles geschafft sei: «Wir sind geschafft!» SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles gab nur ein Wort von sich: «Schlafen». Um 8.00 Uhr kommt die SPD-Spitze zu eigenen Beratungen zusammen.

 

Große Streitpunkte, die die fünfwöchigen Verhandlungen prägten, blieben bis zur letzten Runde ungeklärt. So müssen in der finalen Sitzung die Details eines flächendeckenden Mindestlohnes geklärt werden. In dem Vertragsentwurf bekennen sich Union und SPD zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, strittig waren aber noch Beginn, Höhe und Ausnahmen. Die Union pocht auf Ausnahmeregelungen etwa für Erntehelfer und Zeitungsausträger.

 

Ferner geht es um Rentenverbesserungen und die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer. Die amtierende Kanzlerin, CDU-Chefin Angela Merkel, macht die Abgabe davon abhängig, dass sie mit dem Europarecht vereinbar ist und für deutsche Autofahrer keine Mehrbelastung entsteht. Auch der Kabinettszuschnitt und die Verteilung der Ministerposten geschehen zum Schluss. Die wichtigsten Beschlüsse werden Merkel und die Parteivorsitzenden von SPD und CSU, Gabriel und Horst Seehofer, möglicherweise im Sechs-Augen-Gespräch fällen.

 

Auch die von der SPD gewünschten Verbesserungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft sollen erst am Ende geklärt werden. Die SPD will die Abschaffung der Optionspflicht, wonach sich zum Beispiel in Deutschland geborene Türken bis zum 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. Im ersten Entwurf für den Koalitionsvertrag taucht das Thema gar nicht auf.

 

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius, erklärte den Doppelpass zur Bedingung für das Zustandekommen einer großen Koalition. «Alles andere wäre für die SPD schwer zu verdauen und ein verstörendes Signal für alle in der Gesellschaft, die Integration ernsthaft wollen», sagte der SPD-Politiker der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

 

Die SPD steht unter besonderem Druck, weil ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag entscheiden. Die Partei muss daher viele eigene Erfolge vorweisen. Die finanziellen Spielräume sind aber begrenzt.

 

Der CDU-Sozialflügel wirft Merkel vor, die Parteibasis bei den Verhandlungen außen vor zu lassen. Der CDA-Vizevorsitzende Christian Bäumler sagte der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart, nach dem klaren Sieg bei der Bundestagswahl nehme die CDU-Chefin die Mitglieder kaum mehr mit: «Wir sind nur noch eine One-Woman-Partei.» Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, sagte der «Rheinischen Post»: «Die Koalitionäre haben Schlechtes getan, Gutes unterlassen und wollen sinnvolle Reformen zurückdrehen.»

 

Vom Tisch ist offenbar die Forderung von CSU und SPD nach Einführung von bundesweiten Volksentscheiden. Im Entwurf taucht der Aspekt nicht auf. In Verhandlungskreisen in Berlin hieß es, solche Volksabstimmungen über die Europapolitik oder vom Bundestag beschlossene Gesetze würden auch nicht mehr aufgenommen. (DPA)

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