Der angeschlagene Call-Center-Betreiber Walter Services streicht bundesweit mehr als 500 Stellen. Wie das Unternehmen mit Sitz in Ettlingen (Kreis Karlsruhe) am Freitag mitteilte, schließt es bis Ende Oktober den Standort Lübeck mit 269 Beschäftigten und Schutterwald bei Offenburg mit 150 Mitarbeitern. Die Ettlinger Zentrale bleibt lediglich als Rumpf erhalten: Statt bisher 155 Beschäftigten sollen dort nur noch 65 Mitarbeiter der Finanz- und IT-Sparte bleiben. Der Großteil der ursprünglich rund 6000 Arbeitsplätze soll aber erhalten bleiben.
Wegen ausbleibender Großaufträge und Kostendruck hatte der Call-Center-Betreiber Ende Juli ein Schutzschirmverfahren beantragt. Mit dieser Art des Insolvenzverfahrens wird das Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, ohne die Geschäfte einem Insolvenzverwalter zu überlassen.
Das Sanierungskonzept, das jetzt dem Amtsgericht Karlsruhe vorgelegt wurde, sieht unter anderem vor, dass die Strukturen deutlich verschlankt werden und dass das Unternehmen dezentraler wird sowie sich auf ein nicht näher genanntes «zukunftsfähiges Geschäft» konzentriert.
Auf die Call Center von Walter Services greifen unter anderem große Telekommunikationsunternehmen, Banken, Pharma- oder Versandhändler zurück. Worauf sich das Unternehmen künftig konzentriert, dürfte auch vom «Ausgang einer wichtigen Verhandlung» mit einem großen Telekommunikationskunden abhängen. Weil der weniger Aufträge vergeben hatte, war das Unternehmen nach eigenen Angaben in Turbulenzen geraten.
Wie die Sanierungsgeschäftsführer Jan Markus Plathner und Christoph Morgen mitteilten, gibt es verschiedene Sanierungsvarianten. Alle hätten ein Ziel, «die Zukunft des Unternehmens Walter Services als zweitgrößten Call-Center-Betreiber in Zentraleuropa zu sichern». Nach dem Sanierungsplan sollen die tariflichen Grundlöhne erhalten bleiben. «Sie waren zu keinem Zeitpunkt Auslöser der bedauerlicherweise notwendigen Restrukturierung», hieß es. Walter Services wolle «weiterhin als einziges Unternehmen der gesamten Call-Center-Branche» auf den mit der Gewerkschaft Verdi vereinbarten Mindestlohn setzen.
Das Unternehmen hofft, dass die verschiedenen Insolvenzverfahren der Gruppe bis Anfang nächsten Jahres beendet sind. Vor zwei Jahren war das damals hoch verschuldete Unternehmen von den Finanzinvestoren H.I.G. Europe und Anchorage Capital übernommen worden.
Die Gruppe geht auf die Gründung eines kleinen Ettlinger Werbeservices vor über fünf Jahrzehnten zurück. Sie war nach Jahren der Expansion in den letzten Jahren in die roten Zahlen geraten. Heute besteht Walter Services bundesweit aus 20 Gesellschaften in 16 Städten. Im vergangenen Jahr verbuchte der Walter-Services-Konzern einen Umsatz von 173 Millionen Euro und ein negatives - nicht näher erläutertes - Konzernergebnis. Die Tochtergesellschaft Perry & Knorr sowie die Aktivitäten im Ausland mit rund 2000 Mitarbeitern sind von der Insolvenz nicht betroffen. (DPA/LSW)
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