
Von der brutal realistischen Erforschung des Rotlicht-Milieus bis zu der im Musikermilieu angesiedelten Dreiecksgeschichte: Die literarische Bandbreite der Shortlist beim Deutschen Buchpreis ist extrem, und nicht alle der sechs Autoren sind einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die Jury sei sich aber über die herausragende ästhetische Qualität der sechs neuen Romane einig, sagt deren Sprecher Helmut Böttiger. «Es gab keine lauen Kompromisse.» Drei Frauen und drei Männer werden am 7. Oktober - am Vorabend der Frankfurter Buchmesse - um den Deutschen Buchpreis kämpfen.
Mit am bekanntesten ist Clemens Meyer, der mit seiner Erkundung der Leipziger Bordelle in seinem vor wenigen Wochen veröffentlichten Roman «Im Stein» für Furore in den Feuilletons gesorgt hat. Etwas überraschend aussortiert wurde dagegen Daniel Kehlmanns neuer Roman «F», der seit seinem Erscheinen vor zwei Wochen in den Medien nahezu allgegenwärtig war und noch auf der 20 Titel umfassenden Longlist stand. Auch der Schweizer Urs Widmer («Reise an den Rand des Universums») ist nicht mehr dabei.
Geschafft hat es dagegen der von der Kritik hochgelobte Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl, der aber nicht als Publikumsautor gilt. In seinem im 23. Jahrhundert angesiedelten Roman («Nicht von euch auf Erden») geht es - mit Blick auf die Gegenwart - um den Kampf der Menschen auf dem Mars mit den Erdbewohnern.
Terézia Mora («Das Ungeheuer») stand bereits 2009 auf der Longlist. Jetzt ist sie mit ihrem alten Romanhelden, den sie dieses Mal nach dem Selbstmord seiner großen Liebe nach Ungarn schickt, auf der Shortlist angekommen. Mirko Bonnés Protagonist («Nie mehr Nacht») ist ein Zeichner, der sich in den Ferien in einem verlassenen Strandhotel in der Normandie einquartiert. Er geht dabei dem Vorrücken der Alliierten im Jahr 1944 nach.
Marion Poschmanns Roman («Die Sonnenposition») spielt in einem halb verfallenen Barockschloss, das eine psychiatrische Anstalt beherbergt. Monika Zeiner («Die Ordnung der Sterne über Como») begleitet in ihrem Debütroman die Musiker einer Jazzband über mehrere Jahrzehnte hinweg. Im Zentrum steht eine Dreiecksgeschichte.
Die siebenköpfige Kritiker-Jury hat insgesamt 201 neue Romane der Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesichtet. Schon die Longlist sei extrem stark gewesen, lobt Hauke Hückstädt, Chef des Literaturhauses in Frankfurt. Es gehe beim Preis auch darum, die Möglichkeiten der deutschen Sprache auszuloten und nicht nur auf die am flottesten geschriebene Geschichte zu schauen. «Wir sollten nicht ständig das Publikum unterfordern.»
Dem Sieger beim Deutschen Buchpreis, der seit 2005 vom Dachverband der deutschen Buchbranche ausgeschrieben wird, winkt neben 25 000 Euro Preisgeld in der Regel auch ein großer Verkaufserfolg. «Der Buchpreis mobilisiert», sagt der Buchmarkt-Experte Rüdiger Wischenbart. Dies gelte auch für experimentelle Romane.
Vor zwei Jahren stand Eugen Ruge mit seiner DDR-Familiensaga «In Zeiten des abnehmenden Lichts» monatelang auf der Bestsellerliste. Ursula Krechel war im vergangenen Jahr mit ihrem spröderen Roman «Landgericht», der die schwierige Rückkehr eines jüdischen Richters ins Nachkriegsdeutschland schildert, nicht ganz so erfolgreich. (DPA)
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