
Es kann ziemlich laut sein, wenn man direkt über einer Wellness-Oase wohnt. «Ich höre das Stöhnen der Leute, die mit ihren Hanteln arbeiten. Wenn jemand sich massieren lässt, höre ich das Klatschen der Hand. Hast du dann noch einen Ballspieler, der immerzu laut das Auftitschen des Balles zählt, ist es ganz aus. Und dann die, die sich in das Schwimmbecken stürzen, dass es nur so klatscht und das Wasser nach allen Seiten spritzt!» Die Klage könnte aktuell sein, aber sie ist 2000 Jahre alt.
Sie stammt von dem römischen Dichter Seneca, der in Mittelitalien direkt über einer Therme wohnte. Thermen waren die Wellness-Oasen ihrer Zeit. Auch in Deutschland kann man ihre Ruinen noch bewundern, unter anderem in Trier und Zülpich bei Köln. Ohne Badespaß kamen die Römer einfach nicht aus, egal ob Kaiser oder Sklave. Der Thermenbesuch war für alle erschwinglich. Körperpflege, Sport, Genuss und Unterhaltung gingen dort Hand in Hand.
Die außen wie innen bunt bemalten Bäder öffneten normalerweise gegen 11.00 Uhr, und zwar vormittags für Frauen und abends für Männer. Im Umkleideraum legte man zunächst seine Sachen in eine Nische und schlüpfte dann nackt in die Badelatschen. Die brauchte man, weil der Fußboden ziemlich heiß war. Das eigentliche Bad bestand aus einer Art Saunagang: Im Schwitz- oder Warmbad - einem angenehm erwärmten Raum - ölte sich der Badegast ein oder ließ sich massieren. Anschließend stieg er im Heißbad in eine mit 40 Grad warmem Wasser gefüllte Wanne, um sich danach im Kaltbad zu erfrischen.
Damit war das Angebot aber noch lange nicht erschöpft. Angegliedert war ein Gesundheitsbereich samt Gynäkologen und Zahnärzten. Frauen konnten sich frisieren, schminken und enthaaren lassen. Körperbehaarung widersprach dem Schönheitsideal der Römer. Spezialisierte Haarausreißer griffen deshalb zur Pinzette oder legten einen mit Harz bestrichenen Lappen auf, um die Haare mit einem Ruck auszureißen. Bei den Frisuren orientierten sich modebewusste Römerinnen an den Büsten weiblicher Idole wie Kaiserinnen. Die Spiegel, Scheren, Kämme und Haarnadeln, die sie dabei benutzten, sind unter anderem im Römisch-Germanischen Museum in Köln und in den Römerthermen Zülpich ausgestellt.
Die Männer stählten im Gymnastikhof ihre Muskeln. Anschließend wurde gegessen und getrunken. «Da gab's genauso gutes Catering wie heute in den großen Wellnessfarmen», sagt Alfred Schäfer vom Römisch-Germanischen Museum. In Gemeinschaftslatrinen ohne Trennwände saß man zusammen auf der Toilette und redete über Götter und die Welt. Die Latrinen verfügten über einen Kanal mit fließend Wasser, der alle Hinterlassenschaften wegspülte. Vor den Besuchern lief außerdem Wasser durch eine Rinne, so dass man sich nach dem Toilettengang mit einem nassen Schwämmchen reinigen konnte.
Für die Bäder mussten die Römer Unmengen von Frischwasser anführen. Das geschah in Köln über eine Leitung aus der Eifel - «mehr als 100 Kilometer lang, Wahnsinn!», meint Schäfer. Zur Beheizung der Thermen verfeuerten die Römer massenweise Holz. Im Keller hielten Sklaven ständig ein Feuer in Gang, dessen Wärme durch Hohlräume in die Fußböden und Wände geleitet wurde. Als die Wälder im Kölner Umland abgeholzt waren, schafften die Römer über den Rhein Tannenstämme aus dem Schwarzwald herbei. «Das war Ressourcenverschwendung im großen Maßstab», meint Schäfer. «Aber das war den Römern egal. Hauptsache ein ordentliches, großes Bad!» Immerhin: Einige Thermen hatten bereits Doppelverglasung.
Die Thermen in Köln lagen in der Nähe des heutigen Neumarktes im Zentrum der Stadt und nahmen einen ganzen Häuserblock in Beschlag. Ihre Fundamente samt Estrichresten wurden 2007 beim Bau eines Bürogebäudes vorübergehend freigelegt - der Rest war im Mittelalter nach und nach abgetragen worden. Was das Ganze einmal gewesen war, wusste man damals nicht mehr. Es gab sogar die Vermutung, über die Eifelwasser-Leitung hätten die dekadenten Römer Ströme von Wein angeführt... (DPA)
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