
Wie aus dem Nichts rast plötzlich ein mit Rohöl beladender Güterzug mitten in eine kanadische Kleinstadt hinein und explodiert. Die Bibliothek, ein Supermarkt, die beliebte Bar - alles weg. Mindestens fünf Leichen sind bereits geborgen und die Opferzahl könnte steigen. 40 Menschen galten nach Angaben der kanadischen Behörden weiter als vermisst. Die Rettungskräfte weiteten ihre Suche nach Überlebenden in dem 6000-Einwohner-Städtchen Lac-Mégantic aus, erwarten aber auch, dass die Zahl der Opfer noch steigen könnte.
Auch das gesamte Ausmaß der Schäden und die Ursache der Katastrophe waren weiter unklar. Kanadas Premierminister Stephen Harper verglich die Unglücksstelle mit einem «Kriegsgebiet» und versprach umfassende Untersuchungen.
«Es ist schwer vorstellbar, dass wir so einen Unfall haben können, wir haben eigentlich Regulierungen, die das verhindern», sagte Harper, der am Sonntagnachmittag (Ortszeit) an die Unglücksstelle reiste. «Aber es wird Untersuchungen geben um herauszufinden, wer schuldig und verantwortlich ist.» Ein führerloser Zug mit 73 Kesselwagen voller Rohöl war am Samstagmorgen (Ortszeit) nach Lac-Mégantic hinein gerast und explodiert. Mehrere Waggons brannten bis in den nächsten Tag hinein. Rund 160 Feuerwehrmänner kämpften gegen die Flammen. Rund 100 000 Liter Öl wurden in den Quebec River gespült.
2000 Menschen - rund ein Drittel der Bevölkerung der Kleinstadt - mussten ihre Häuser verlassen. Auch am Montag konnten noch nicht alle von ihnen wieder nach Hause. Viele Bürger kamen in Notunterkünften unter, oder suchten dort nach vermissten Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten. Er wisse nichts über den Verbleib seines Bruders, dessen Wohnung direkt neben den Gleisen liege, sagte der 69-jährige Henri-Paul Audette in einer Notunterkunft dem kanadischen Fernsehsender CBC. «Ich müsste doch jetzt schon etwas von ihm gehört haben.» Die bislang fünf geborgenen Leichen wurden zur Autopsie ins rund 250 Kilometer entfernte Montreal geschickt.
Mindestens 30 Gebäude in der französischsprachigen Kleinstadt Lac-Mégantic sind Medienberichten zufolge zerstört, darunter die Bibliothek der Kleinstadt, ein Supermarkt und eine beliebte Bar. Das Gebiet ist weiträumig abgesperrt. «Das war eine wunderschöne Innenstadt, die hier zerstört worden ist», sagte Premierminister Harper. «Wir brauchen wirklich umfangreiche Wiederaufbaumaßnahmen.»
Ein Rätsel ist nach wie vor die Unglücksursache. Der Bahnbetreiber berichtet, der Lokführer habe den Zug abgestellt und Bremsen und Ladung kontrolliert, bevor er sich in einem Hotel schlafen legte. Dennoch hätten sich die 73 Waggons von der Lokomotive gelöst und seien ins Tal gerast. Ermittler haben inzwischen den Fahrdatenschreiber sichergestellt und hoffen, dass die Auswertung der Daten sie bei den Ermittlungen weiterbringt.
Die zehn Jahre alte Bahngesellschaft, zu der der Unglückszug gehörte, besitzt mehr als 800 Kilometer Gleise in den ostkanadischen Provinzen Quebec und New Brunswick, sowie in den US-Bundesstaaten Vermont und Maine, dessen Grenze nur etwa zehn Kilometer von der Unglücksstelle entfernt liegt. (DPA)
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