
Bei den Dreharbeiten zum Doku-Drama «Helmut Schmidt - Lebensfragen» muss Hauptdarsteller Bernhard Schütz vor allem eines: viel rauchen. Um nicht selbst wieder abhängig zu werden, zieht der Schauspieler deshalb an nikotinfreien Kräuterzigaretten. Als das Rollenangebot kam, hat der 54-Jährige sofort zugesagt. «Demut stellt sich ein», sagt Schütz über das Gefühl, den Bundeskanzler der Jahre 1974 bis 1982 spielen zu dürfen. Noch bis Freitag laufen in Hamburg die Dreharbeiten.
Der Streifen enthält neben Spielfilmszenen auch Interview-Ausschnitte, in denen der echte Schmidt Fragen von «Zeit»-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo beantwortet. Der 90-minütige Film wird am 95. Geburtstag des SPD-Politikers am 23. Dezember 2013 (21.45 Uhr) im Ersten zu sehen sein.
Das Filmteam hat sich an Originalbildern orientiert und das Wohnzimmer der Eheleute Schmidt in Hamburg-Langenhorn im Stil der 60er in einem leerstehenden Haus im Bezirk Bergedorf nachgebaut. Ob Sessel, Gläser oder Schachspiel - die Details in der Produktion des Norddeutschen Rundfunks (NDR) sind stimmig. Perücken sorgen für die richtigen Frisuren: Schütz hat nun einen akkuraten Scheitel wie der Staatsmann Schmidt, Bibiana Beglau versteckt ihre Locken gut und trägt als Ehefrau Loki eine freche Kurzhaarfriseur. Kerzengerade sitzt die Schauspielerin während der Dreharbeiten. Diese Haltung sei typisch für Loki gewesen, berichtet Beglau, die die Gesten der 2010 gestorbenen Ehrenbürgerin Hamburgs anhand von Fernsehaufnahmen genau studierte. Lokis «starken Hamburger Slang» werde sie aber nicht nachmachen, sondern nur leicht anklingen lassen.
Gefilmt wird eine Szene 1962 in der Nacht, bevor Schmidt als damaliger Hamburger Innensenator die Nachricht von der Sturmflut erreichte. Danach gibt es bei den Dreharbeiten einen Zeitsprung ins Jahr 1982 zu einem Gespräch des Ehepaares im Garten kurz vor dem Misstrauensvotum gegen Schmidt, bei dem er sein Amt als Bundeskanzler verlor. Schmidt habe für den Film keine Vorgaben gemacht, sagt Produzentin Katharina Trebitsch, die den Politiker schon lange persönlich kennt. Nach Angaben des NDR öffnete Schmidt zum ersten Mal sein Privatarchiv. Das Filmteam durfte Fotos, Dokumente und handschriftliche Notizen auswerten.
Das Doku-Drama werde die wesentlichen Wendepunkte im Leben des Altkanzlers darstellen, erklärt der zuständige Redakteur Alexander von Sallwitz. Der Film zeigt eine große Zeitspanne: Er beginnt, als Schmidt ein kleiner Junge ist. Auch das Eheversprechen gegenüber seiner früheren Klassenkameradin Loki Glaser angesichts der eigenen Einberufung 1942 und der «Deutsche Herbst» 1977 und die damit verbundenen schweren Entscheidungen als Bundeskanzler sind Gegenstand der Spielfilm-Szenen, die 1993 enden. Diese zeitlichen Sprünge wären nicht mit einem Schauspieler zu machen, erklärt Trebitsch.
Deshalb werden insgesamt fünf Schauspieler Schmidt verkörpern. Neben Schütz sind es Peter Striebeck, Ludwig Blochberger, Markus Quentin und Jonas Kapuscinski. Als Ehefrau Loki stehen auch Hildegard Schmahl und Britta Hammelstein vor der Kamera.
Schmidt erlangte als Politiker Ansehen als umsichtiger Krisenmanager. Das Wort des heute 94-Jährigen hat noch immer Gewicht. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, ist Mitherausgeber der «Zeit». Schmidt solle in dem sehr persönlichen Film nicht nur als Politiker, sondern als Mensch gezeigt werden, sagt Redakteur von Sallwitz. Das Interview mit di Lorenzo sei «sehr emotional für Helmut Schmidts Verhältnisse». Der erste Teil des Gesprächs wurde im Mai 2012 aufgenommen, der zweite im Mai dieses Jahres. Dabei werde Schmidts neue Lebensgefährtin Ruth Loah zu sehen sein, berichtet Regisseur Ben von Grafenstein. Schmidt spreche auch über die Beziehung zu ihr. (DPA)
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