
In Birma sind Zahlen eine Wissenschaft für sich. Nicht schnödes Rechnen ist damit gemeint, sondern die Geheimnisse von Glückszahlen. Die Ziffer 9 ist das Nonplusultra. «Mein Autokennzeichen lautet zum Beispiel 7-7-0-4», sagt ein Mann in Birmas Hauptstadt Naypyidaw, der nach Jahrzehnten im höheren Dienst des Planungsministeriums Beamtenwürde ausstrahlt. Er wird ungeduldig, weil bei seinem Gegenüber nicht sofort der Groschen fällt.
«7 plus 7 plus 4? Sind 18. 1 plus 8? Genau: macht 9», erklärt er dann. Er hat für das Kennzeichen 500 000 Kyat bezahlt - 400 Euro. Das ist dort ein Vermögen: fünf durchschnittliche Beamten-Monatslöhne. Doch er ist sich sicher: «Eine gute Zahlenfolge bringt Glück.»
Gerade kommen in der bis 2011 abgeschotteten einstigen Militärdiktatur erstmals bezahlbare SIM-Karten für Handys auf den Markt - ein wahres Fest für die Hobby-Numerologen. Eine Handy-Nummer mit 9999 am Ende ging in Mandalay für 500 000 Kyat über den Ladentisch, berichtete die Lokalpresse. 43 98 76 53 ist auch nicht schlecht - Quersumme 45, 4 plus 5 gleich 9.
Im buddhistischen Birma gilt die 9 als mystisch, weil Buddha neun Attribute hatte. In Pagoden stehen nach Planeten und Wochentagen benannte Altäre, an denen jeweils für eine bestimmte Anzahl Jahre gebetet werden muss: Zusammen sind es 108 Jahre, 1 plus 8 gleich 9. Verehrt werden aber auch Geister, die Nats. Davon gibt es 37. Aber was hat das mit 9 zu tun? «Es gibt nur deshalb 37 Nats, weil der Gründer des Bagan-Imperiums im 11. Jahrhundert einen Ober-Nat ernannte, um die Macht der Geister zu brechen», sagt Fremdenführer Hpoun Shwe. Ursprüngliche waren es 36 Nats - 3 plus 6 gleich 9.
Der Glaube und die Mystik um die Ziffer 9 hat in Birma schon seltene Blüten getrieben: Diktator Ne Win ließ 1987 Banknoten im Wert von 90 und 45 Kyat drucken. Glück brachte ihm das nicht: Erst putschte ihn ein Jahr später ein Konkurrenzgeneral aus dem Amt, dann verschwanden auch die kuriosen Banknoten. Ne Win soll in Delfinblut gebadet haben in der Hoffnung, damit 90 Jahre alt zu werden. Er starb 2002 - mit 91.
Der 2011 abgetretene Juntachef Than Shwe gilt auch als abergläubisch. Seine Glückszahl ist angeblich 11. Astrologen sollen für ihn im November 2005 den Tag des Umzugs in die neue Hauptstadt Naypyidaw bestimmt haben. Ein paar Tage später, am 11.11. um 11.00 Uhr, soll Than Shwe einen Konvoi mit 1100 Militärlastern, 11 Bataillonen und 11 Ministerien in Bewegung gesetzt haben. «Die Elf ist eine Glückszahl, weil der Buddha elf Versuchungen gemeistert hat», sagt Kyaw Nyunt, der in Naypyidaw beim Weltwirtschaftsforum, der ersten internationalen Konferenz in Birma seit mehr als 60 Jahren, als IT-Helfer im Einsatz ist.
Ein rassistischer Mönch hat sich die 9 auch zu eigen gemacht. Er startete die «969»-Bewegung, die Hass auf Muslime predigt. Sie schürt Angst unter Buddhisten mit der Behauptung, Muslime wollten im 21. Jahrhundert die Welt erobern. Der angebliche Beweis: Das von Muslimen in Südasien benutzte Symbol «786», Quersumme: 21. Dabei handelt es sich um eine numerische Interpretation des Gebetbeginns «Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen».
«Unser Land war jahrelang unter Militärherrschaft, das Bildungsniveau ist niedrig, niemand konnte sich richtig informieren», sagt Thandar Aung, die eine Reiseagentur leitet. «So versuchen viele Leute, mit Symbolen und absurden Zahlenspielereien Sinn in ihr Leben zu bringen.» Sie habe damit nichts im Sinn. «Ich verlasse mich lieber auf mich selbst.» Der Mann aus dem Planungsministerium hat keinen Zweifel an der höheren Bedeutung der Zahlen: «Ich kann gar nicht anders, ich bin schließlich am 21.3.1947 geboren», sagt er. (2 plus 1 gleich 3, der Monat ist schon eine 3, und 1 plus 9 plus 4 plus 7 gleich 21, Quersumme 3. 3 mal 3 macht 9.) (DPA)
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