
Die U 21 fährt nach der EM-Vorrunde heim, die U 19 verpasst sogar die Qualifikation zur Europameisterschaft. Im deutschen Fußball-Nachwuchs rumpelt es zur Zeit gewaltig. Der bislang letzte Trainer, der mit einem U-Team einen Titel holte, will von einer Krise nichts wissen. Seit 2009 ohne Titel und zuletzt (fast) nur Misserfolge: Der deutsche Nachwuchs-Fußball produziert nach den jüngsten Rückschlägen reichlich Negativschlagzeilen.
Die U 21 von Trainer Rainer Adrion verpasste bei der Europameisterschaft in Israel nach zwei Niederlagen den Einzug ins Halbfinale, die U 19 schaffte zum fünften Mal nacheinander gar nicht erst die EM-Qualifikation - und die U 17 durfte in diesem Jahr bei den kontinentalen Titelkämpfen ebenfalls nur zuschauen.
So waren am Dienstag Formulierungen zu lesen wie: «Trauerspiel um den Nachwuchs» («FAZ»), «Die Krise im deutschen Nachwuchs-Fußball spitzt sich weiter zu» («Spiegel Online»), oder auch «Stillstand in Löws Talentebude» («Die Welt»), «Rückkehr des Rumpelfußballs» («SZ»). Vor allem das frühe Scheitern der ältesten Nachwuchs-Auswahl wirft Fragen auf.
Beim 0:1 im zweiten Vorrundenspiel gegen Spanien war «phasenweise fast ein Klassenunterschied zu sehen», wie auch Löw-Assistent Hans-Dieter Flick einräumen musste. Zugleich warnte er davor, «alles infrage zu stellen». Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und der ehemalige Erfolgscoach Horst Hrubesch warnten vor Aktionismus und Panikmache. «Bei uns schrillen keine Alarmglocken», sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes am Dienstag in Tel Aviv. «Jetzt die große Krise im deutschen Nachwuchsfußball auszurufen, da lach ich mich kaputt», sagte auch Hrubesch der Nachrichtenagentur dpa.
Dennoch kündigte Niersbach eine offene Analyse an. «Wir werden das alles aufarbeiten», denn solche Ergebnisse «könnten nicht der Anspruch des DFB sein». Hrubesch sagte: «Klar haben wir es uns anders vorgestellt, aber wir wussten, dass so etwas passieren kann.»
Mit dem sogenannten Unterbau der A-Nationalelf holte der mittlerweile 62-Jährige 2009 den EM-Titel - mit Spielern wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Sami Khedira oder Mats Hummels. Seitdem waren aus dem Nachwuchsbereich nicht mehr all zu viele Erfolgsmeldungen zu verkünden. Die Philosophie des Deutschen Fußball-Bundes und von Bundestrainer Joachim Löw indes war klar formuliert: Höchste Priorität hat grundsätzlich die A-Nationalmannschaft.
So musste Adrion auch jetzt in Israel auf Leistungsträger wie André Schürrle, Ilkay Gündogan oder Julian Draxler verzichten, weil Löw das Trio lieber auf der umstrittenen USA-Reise dabei haben wollte. Und so hat «das Prestigeprojekt des DFB Totalschaden erlitten - auf allen Ebenen», wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» am Dienstag kommentierte.
Als Ausweg aus der Junioren-Krise könnte sich U 18-Chefcoach Hrubesch einen Kompromiss vorstellen: Grundsätzlich sei die DFB-Philosophie absolut richtig, aber vielleicht sollte man bei Großereignissen der U-Teams auch wieder den einen oder anderen noch spielberechtigten A-Nationalspieler mitnehmen, so Hrubesch.
Auch Niersbach zeigte sich in dieser Frage gesprächsbereit. «Die Frage gehört natürlich auf den Prüfstand, das kann man diskutieren, aber es wird immer eine Entscheidung der sportlichen Köpfe bleiben, und die Entscheidung werde ich immer mittragen», sagte der DFB-Präsident.
Man müsse nun analysieren und «auch Dinge hinterfragen», forderte Hrubesch, mahnte aber auch an: «Wir können doch nicht von heute auf morgen davon abweichen, wenn mal ein Turnier nicht so gut läuft. Was in den letzten zehn Jahren passiert ist, ist der richtige Weg. Das jetzt nur an Titeln oder Endrunden festzumachen, ist falsch.»
Auch die Debatte über den Stellenwert eines DFB-Sportdirektors wollte Hrubesch nicht mitmachen. «Es wäre falsch, jetzt über den Sportdirektor zu diskutieren oder da einen Zusammenhang herzustellen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun», sagte er. (dpa)
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