Karlsruhe: Ehegattensplitting auch für Homosexuelle

Das Ehegattensplitting nur für Eheleute verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, befanden die Karlsruher Richter. Foto: Jens Kalaene
Das Ehegattensplitting nur für Eheleute verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, befanden die Karlsruher Richter. Foto: Jens Kalaene

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt: Die Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnern ist verfassungswidrig. Homo-Paare müssten auch vom Ehegattensplittung profitieren. Sie können jetzt die Zusammenveranlagung beantragen. Die Ungleichbehandlung von Eheleuten und eingetragenen homosexuellen Lebenspartnern ist verfassungswidrig. Nach einem am Donnerstag (6. Juni) vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichen Beschluss müssen Homosexuelle auch vom Ehegattensplittung profitieren können.

Das Gericht verlangte, dass die entsprechenden Gesetze rückwirkend zum 1. August 2001 geändert werden. Die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting für Eheleute könnten bis zu neuen Vorgaben übergangsweise auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewandt werden, hieß es. Eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es seit dem 1. August 2001.

 

Die entsprechenden Vorschriften im Einkommenssteuergesetz, die Ehegattensplitting nur für Eheleute ermöglichen, verstoßen dem Richterspruch zufolge gegen den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitssatz. Es gebe keine hinreichend gewichtigen Sachgründe für die Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartner.

 

Betroffene homosexuelle Paare können beim Finanzamt jetzt die Zusammenveranlagung beantragen. «Die Finanzverwaltung muss die Zusammenveranlagung nun berücksichtigen», sagte Isabell Klocke vom Bund der Steuerzahler.

 

Bisher war für eingetragene Paare nur die Einzelveranlagung möglich. Da das Verfahren vor dem Verfassungsgericht aber schon länger anhängig war, haben laut Klocke etliche Homo-Paare bereits in den vergangenen Jahren die Zusammenveranlagung beantragt - in der Hoffnung, dass das Gericht in ihrem Sinne entscheidet. Nun müssen die Finanzämter die noch offenen Bescheide nachbearbeiten. Gegebenenfalls sollten die Partner das Finanzamt formlos erinnern, den Sachverhalt nun abschließend zu bearbeiten, rät Klocke.

 

Das Urteil ist der Steuerrechtsexpertin zufolge aber nicht nur für aktuelle Steuerbescheide relevant, sondern auch für zurückliegende Steuerjahre, für die bisher nur vorläufige Bescheide ergangen sind. Davon könnten auch Lebenspartner profitieren, deren Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind. «Sie müssen eventuell einfach abwarten, was der Gesetzgeber macht», sagte Klocke.

 

Ob sich die Zusammenveranlagung lohnt und zu einer Steuerentlastung führt, könne Steuersoftware berechnen. Erstellt ein Steuerberater oder ein Lohnsteuerhilfeverein die Erklärung, sei diese Prüfung ohnehin Standard, erläuterte Klocke. Mit schnellem Geld sollte aber kein Steuerpflichtiger rechnen: «Ich vermute, dass die Finanzämter nicht gleich morgen alle offenen Bescheide bearbeiten, sondern erstmal abwarten, was der Gesetzgeber macht.»

 

So funktioniert das Ehegatten-Splitting

Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung von Eheleuten gesenkt. Letztlich wird das Gesamteinkommen gedanklich durch zwei geteilt («gesplittet») und darauf der Steuertarif angelegt. Schließlich werden die beiden Steuerbeträge verdoppelt und zur Gesamtschuld addiert. Vor allem wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere oder Alleinverdiener ist, ergibt sich ein erheblicher Steuervorteil - maximal mehr als 15 000 Euro. Den Staat kostete das zuletzt 15,5 Milliarden Euro pro Jahr.

 

Verdienen beide Partner gleich viel, haben sie vom Splitting nichts. Durch den progressiven Steuertarif entsteht ein «Splittingvorteil» gegenüber unverheirateten Paaren mit gleichem Haushaltseinkommen. Eingetragene Lebenspartnerschaften wurden bei der Einkommensteuer wie Unverheiratete behandelt. Homo-Ehen, ob mit oder ohne Kinder, sind also wirtschaftlich schlechter gestellt. (DPA/TMN)

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