
Der 10. Mai 1933 ging als Tag der Bücherverbrennung in die Geschichte ein. Zehntausende Werke der von den Nazis verfemten Autoren verkohlten auf Scheiterhaufen. Bert Brecht, Stefan Zweig, Erich Kästner, Klaus Mann gehören zu den bekanntesten «verbrannten Dichtern». Viele andere gerieten in Vergessenheit. Einige Beispiele: VICKY BAUM: Die 1888 in Wien geborene Vicky Baum wurde in der Weimarer Zeit zu einer weltbekannten Bestseller-Autorin. Ihr bekanntester Roman «Menschen im Hotel» (1929) wurde mit Greta Garbo verfilmt.
1932 wanderte die studierte Musikerin und Tochter eines jüdischen Regierungsbeamten in die USA aus. In Deutschland wurden ihre Bücher nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verboten. An der Universität Rostock wurden ihre Werke am 5. Mai 1933 an einem «Schandpfahl» angebracht. Vicky Baum starb 1960 in Hollywood.
LEONHARD FRANK: Der 1882 in Würzburg geborene Schriftsteller stammte aus ärmlichen Verhältnissen und studierte Kunst. Sein Erstlingsroman «Die Räuberbande» wurde 1914 ein großer Erfolg. 1933 emigrierte der Sozialist über Zürich und London nach Paris. Seine Bücher wurden 1933 öffentlich verbrannt, 1934 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. In Frankreich wurde Frank interniert und konnte 1940 über Marseille, Spanien und Portugal in die USA fliehen. In Hollywood versuchte er sich als Drehbuchschreiber für Warner Brothers. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück und lebte bis zu seinem Tod 1961 in München. Leben und Werk Leonhard Franks blieben weitgehend unbekannt. «Über mich haben die Nazis gesiegt», notierte er einmal.
SALOMO FRIEDLÄNDER: Der 1871 bei Posen geborene Philosoph und Schriftsteller, der unter dem Pseudonym Mynona zahlreiche expressionistische und dadaistische Prosatexte veröffentlichte, starb 1946 in Paris in unsäglicher Armut. Der Kantianer Friedländer emigrierte wenige Wochen nach der Machtübernahme durch die Nazis nach Paris, wo er den braunen Terror überlebte. In den letzten Kriegsjahren lebt er in ständiger Gefahr, nach Auschwitz deportiert zu werden.
WALTER HASENCLEVER: Der 1890 in Aachen geborene Schriftsteller hatte in den 1920er Jahren Erfolg mit der Komödie «Ein besserer Herr» und dem Lustspiel «Ehen werden im Himmel geschlossen». Er schrieb auch Filmdrehbücher für Metro-Goldwyn-Mayer in Hollywood und lernte Greta Garbo kennen. Hasenclevers Bücher wurden 1933 von den Nazis verbrannt. 1938 floh er als Ausgebürgerter nach Nizza. Über Jugoslawien, Italien, England gelangte er wieder nach Südfrankreich. Die Franzosen verhaften ihn zwischen 1939 und 1940 zweimal. Jean Giraudoux erreichte bei der Vichy-Regierung die Freilassung des deutschen Freundes. Doch Hasenclever wurde erneut inhaftiert. Beim Anmarsch der Wehrmacht auf das Lager beging er Selbstmord.
GEORG KAISER: Der 1878 in Magdeburg geborene Georg Kaiser war in den 1920er Jahren neben Gerhart Hauptmann der meistgespielte Autor seiner Zeit. Am 18. Februar 1933, während der Uraufführung des Dramas «Der Silbersee», stürmte die SA das Leipziger Schauspielhaus. Im Mai 1933 brannten Kaisers Bücher auf den Scheiterhaufen der Nazis. Schon 1928 hatte Kaiser in seinem Stück «Lederköpfe» die Entwicklung des Nationalsozialismus vorausgesehen. Er 1938 floh er über Amsterdam in die Schweiz. Dort verbrachte er den Krieg getrennt von seiner Familie. Kurz nach Kriegsende starb Kaiser 1945 als mittelloser und in Vergessenheit geratener Schriftsteller in Ascona.
MASCHA KALÉKO: Die 1907 im polnischen Galizien geborene Tochter russisch-jüdischer Emigranten kam 1914 nach Deutschland. Ernst Rowohlt entdeckte die Dichterin und verlegte ihre eigenwillig schnoddrigen Momentaufnahmen aus dem Großstadtalltag. Noch im gleichen Jahr verbrannten die Nazis ihre Bücher. 1938 floh sie nach New York, wo sie als Werbetexterin und Übersetzerin arbeitete. 1956 wurde ihr «Lyrisches Stenogrammheft» erneut aufgelegt und wieder mit großem Erfolg verkauft. Die Dichterin reiste erstmals wieder nach Europa. Ihre neuen Gedichtbände blieben jedoch weithin unbeachtet. In den 1960ern zog die Familie nach Jerusalem, wo Kaléko nie heimisch wurde. Sie starb 1975 an Krebs.
IRMGARD KEUN: Die 1905 geborene Irmgard Keun war eine mäßig begabte Schauspielerin, bevor sie - von Alfred Döblin zum Schreiben ermuntert - 1931 ihren ersten Erfolgsroman «Gilgi – eine von uns» schrieb. Auch ihr zweiter Roman «Das kunstseidene Mädchen» (1932) über eine junge Frau, die ihren kleinbürgerlichen Verhältnissen entkommen will, wurde ein Bestseller. Wegen der offenen Gesellschaftskritik brandmarkten die Nazis Keuns Romane als «Asphaltliteratur». Nach der Beschlagnahme ihrer Bücher und Verhören durch die Gestapo flüchtete Keun 1936 nach Belgien und in die Niederlande. 1940 kehrte sie illegal nach Deutschland zurück. Nach 1945 konnte sie in Deutschland literarisch nicht mehr Fuß fassen, wurde alkoholabhängig und entmündigt. Durch den «Stern»- Journalisten Jürgen Serke wurde Keun wiederentdeckt. Ihre Bücher wurden ab 1979 neu verlegt. Keun starb 1982 in Köln.
ROBERT MUSIL: Der Schriftsteller («Der Mann ohne Eigenschaften») wurde 1880 im österreichischen Klagenfurt geboren. Seine Werke wurden bereits 1933 in Nazi-Deutschland verboten. Nach dem Anschluss Österreichs emigrierte er mit seiner jüdischen Frau in die Schweiz und lebte dort in bitterarmen Verhältnissen. 1942 starb Musil an einem Schlaganfall.
ERNST TOLLEER: Der 1893 geborene Dramatiker Ernst Toller, ein überzeugter Sozialist, war 1919 sechs Tage Chef der Münchner Räterepublik. Fünf Jahre saß der jüdischstämmige Toller in Festungshaft und wurde nach seiner Freilassung ein erbitterter Nazi-Gegner. Erfolg hatte Toller mit seiner 1921 in Festungshaft entstandenen Kriegsheimkehrer-Tragödie «Hinkemann». In seinen Bühnenstücken warnte er vor den Nazis («Der entfesselte Wotan») und übte Gesellschaftskritik («Hoppla, wir leben!»). 1933, in der Nacht des Reichstagsbrandes stürmten SA-Leute seine Berliner Wohnung. Toller befand sich in der Schweiz. Später ließ er sich in den USA nieder. Er initiierte die Friedensnobelpreis-Kampagne für Carl von Ossietzky, um den Kranken aus dem KZ zu retten. 1939 erhängte sich der unter Depressionen leidende Toller in einem Hotel in New York. (DPA)
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