Steinbrück gegen Gabriels Vorstoß für Tempo 120

Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender der SPD, fordert Tempo 120 auf deutschen Autobahnen. Foto: Rolf Vennenbernd
Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender der SPD, fordert Tempo 120 auf deutschen Autobahnen. Foto: Rolf Vennenbernd

Mit dem Vorstoß für ein bundesweites Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel seine eigene Partei brüskiert. «Tempo 120 auf der Autobahn halte ich für sinnvoll, weil alle Unfallstatistiken zeigen, dass damit die Zahl der schweren Unfälle und der Todesfälle sinkt», sagte er der «Rheinischen Post». «Der Rest der Welt macht es ja längst so.» SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lehnte den Vorstoß umgehend ab. Die Debatte zu dem Thema laufe nun schon seit rund 20 Jahren. «Ich sehe keine Veranlassung, sie zu aktivieren», betonte Steinbrück.

 

Die Forderung nach einem solchen Tempolimit steht zwar im Programm der Grünen für die Bundestagswahl, aber nicht im «Regierungsprogramm» der SPD. In der Bundestagsfraktion, aber auch in den Ländern wurde daher Unverständnis über Gabriel geäußert. «Tempolimits sind kein Selbstzweck. Auf Autobahnen sehe ich im Hinblick auf den Stand und die Qualität des Autobahnausbaus keine Notwendigkeit für ein generelles Tempolimit», sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der «Neuen Westfälischen» aus Bielefeld. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) betonte: «Meine Sorge gilt dem Zustand der Straßen und damit der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur.»

 

Auch Union und FDP bekräftigten ihr Nein zu einem Tempolimit. «Gabriel fährt den Grünen bei diesem Thema hinterher», sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in Berlin. «Unsere Autobahnen gehören zu den sichersten Straßen.» Die folgenschwersten Unfälle ereigneten sich auf Landstraßen. «Die aktuelle Statistik hat dort 60 Prozent der getöteten Verkehrsteilnehmer erfasst», sagte Ramsauer. Auf knapp 40 Prozent der rund 12 800 Autobahnkilometer gebe es schon jetzt dauerhafte oder zeitweise Tempolimits. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, die Regierung plane kein Tempolimit. FDP-Politiker nannten eine Tempobegrenzung Gängelei und Schikane.

 

Zur Forderung der Grünen, Tempo 80 auf Landstraßen einzuführen, wollte sich Gabriel nicht äußern. Die Frage, ob das sinnvoll sei, überlasse er gerne den Ländern. «Länder und Kommunen wissen besser, auf welchen ihrer Straßen wie schnell gefahren werden soll.»

 

Die SPD hatte sich auf ihrem Hamburger Parteitag 2007 erstmals für ein Tempolimit ausgesprochen, allerdings von 130 Kilometern pro Stunde als Obergrenze. Gabriel galt damals nicht als großer Anhänger einer Geschwindigkeitsbegrenzung, betonte nach dem überraschenden Beschluss aber: «Ich habe kein Problem mit dem Tempolimit.» Sein Ministerium lehnte damals aber Rufe nach einem 120-Tempolimit ab.

 

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte Gabriels Positionierung. «Ein Tempolimit ist eine zentrale und längst überfällige Maßnahme zur deutlichen Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Verkehr und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Deutschlands Autobahnen», sagte Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Die Unfälle mit Personenschaden könnten um etwa ein Drittel pro Jahr zurückgehen. Auch andere Umweltverbände sprachen von einem richtigen Signal.

 

Die Autofahrerlobby lehnte Gabriels Position ab. 2011 seien 31 Prozent des Verkehrs über Autobahnen gerollt, aber nur sechs Prozent der Unfälle mit Verletzten seien dort geschehen. «Herr Gabriel irrt, wenn er die Unfallstatistiken für seine Argumentation bemüht» sagte der ADAC-Vizepräsident für Verkehr, Ulrich Klaus Becker. Die Zahl der Getöteten auf Autobahnen bezogen auf die gefahrenen Kilometer liege niedriger als in Österreich, wo ein Limit von 130 gelte, so der ADAC.

 

Der Unfallforscher Siegfried Brockmann sagte dem dpa-Audiodienst, natürlich seien Autobahnen die sichersten Straßen, weil es keine Radfahrer, Fußgänger und Kreuzungen gebe. «Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.» In umliegenden Ländern seien Verkehrsstandards, Infrastruktur und Mentalitäten oft andere, weshalb Zahlenvergleiche immer schwierig seien. «Entscheidend ist doch, dass wir eine Reihe von schweren Unfällen sehen, die auf hohe Geschwindigkeiten zurückzuführen sind.» Daher sei die Debatte sehr sinnvoll. (DPA)

 

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